FAQ: Stealthing
Unter Stealthing wir laut Definition das heimliche Abstreifen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs verstanden. Hier finden Sie eine ausführlichere Begriffserklärung.
Ja, der Gesetzgeber bewertet Stealthing gemäß § 177 StGB als einen sexuellen Übergriff. Abhängig von den Umständen der Tat ist auch eine Verurteilung wegen Vergewaltigung möglich. Gemäß Strafrecht droht den Tätern mindestens eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Darüber hinaus haben Opfer die Möglichkeit, einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend zu machen.
Betroffene Personen sollten unbedingt einen Arzt aufsuchen und Anzeige bei der Polizei erstatten. Was darüber hinaus zu beachten ist und wo sie Hilfe bekommen, erfahren Sie hier.
Inhalt
Was ist Stealthing?
Der Begriff „Stealthing“ beschreibt eine Form des sexuellen Missbrauchs, bei dem der Sexualpartner während des Geschlechtsverkehrs heimlich und ohne Einwilligung des anderen Partners das Kondom entfernt. Die Bezeichnung leitet sich dabei vom englischen Wort „stealth“ ab, welches sich mit List, Verstohlenheit oder Heimlichtuerei übersetzen lässt.
Die Täter missachten beim Stealthing den ausdrücklichen Wunsch ihrer Partner nach Safer Sex und greifen dadurch in die sexuelle Selbstbestimmung ein. Zudem besteht durch das Abziehen des Kondoms die Gefahr, dass Krankheiten wie HIV, Syphilis, Tripper oder Chlamydien übertragen werden. Nicht zuletzt kann bei weiblichen Opfern auch eine ungewollte Schwangerschaft die Folge sein.
Wichtig! Häufig handelt es sich bei den Opfern von Stealthing um Frauen. Grundsätzlich können aber Menschen aller Geschlechter betroffen sein. Als Täter kommen demnach auch Frauen infrage, die zum Beispiel entgegen den Wünschen ihres Partners unbedingt schwanger werden wollen und deshalb das Kondom beseitigen. Ebenso kann Stealthing bei gleichgeschlechtlichem Sex vorkommen.
Welche Strafe droht den Tätern?
Seit 2016 ist im Sexualstrafrecht der Grundsatz „Nein heißt Nein“ verankert. Konkret bedeutet dies, dass laut Gesetz bereits ein sexueller Übergriff vorliegt, wenn die Handlung gegen den Willen einer Person ausgeführt wird. Es ist demnach nicht mehr relevant, ob sich ein Opfer körperlich wehrt und in welchem Ausmaß bzw. wie erfolgreich dies geschieht. Der Gesetzgeber definiert den Tatbestand „Sexueller Übergriff“ unter § 177 Abs. 1 StGB wie folgt:
Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Wie dieser Auszug zeigt, lässt sich Stealthing als ein sexueller Übergriff bewerten und ahnden. Der Gesetzgeber sieht dafür eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und maximal fünf Jahren vor. Grundsätzlich besteht aber auch die Möglichkeit, eine entsprechende Tat als Vergewaltigung zu bewerten. Bislang erfolgt die Verurteilung allerdings lediglich als sexueller Übergriff.
So entschied des Berliner Kammergericht am 27. Juli 2020 (Az.: (4) 161 Ss 48/20 (58/20)) erstmals obergerichtlich über die Strafbarkeit des Stealthings. Die Frau hatte dem Geschlechtsverkehr nur mit der Verwendung eines Kondoms zugestimmt, welches der Mann bei einem Stellungswechsel heimlich abstreifte. Anschließend führte er den Akt weiter fort und ejakulierte in die Frau. Das absichtliche Vorgehen hatte der Täter in einem Chat zugegeben. Allerdings sah das Gericht den Tatbestand der Vergewaltigung nicht als gegeben an, weil der Geschlechtsverkehr einvernehmlich war. Stattdessen erfolgte eine Verurteilung wegen des sexuellen Übergriffs zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Zudem sprach das Gericht der Geschädigten Schmerzensgeld in Höhe von rund 3.100 Euro zu. Der verurteilte Täter legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein, sodass eine endgültige Klärung noch aussteht.
Wie lässt sich Stealthing nachweisen?
Tatsächlich gestaltet sich der Nachweis beim Stealthing schwierig, denn in der Regel gibt es keine Belege dafür, dass die Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr an die Verwendung eines Kondoms gebunden ist. So steht dann vor Gericht Aussage gegen Aussage und die Richter müssen abwägen. Lässt sich die Tat nicht eindeutig beweisen, bleibt eine Verurteilung allerdings aus. Dennoch sollten entsprechende Fälle unbedingt bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden.
Wo finden die Opfer von Stealthing Hilfe?
Das es sich beim Stealthing um eine Sexualstraftat handelt, realisieren vielen Opfern nicht oder erst spät. Denn viele Täter tun das heimliche Abstreifen des Kondoms als ein Versehen oder Missgeschick ab. Die mitunter schlechten Erfolgschancen und die unnötige Scham halten zudem betroffene Personen von einer Anzeige ab.
Dabei gilt grundsätzlich für alle Sexualstraftaten und somit auch für Stealthing: Das Opfer ist niemals verantwortlich für den Übergriff oder hat dieses in irgendeiner Art und Weise provoziert. Denn diesem wurde ein Unrecht angetan, für welches der Täter zur Rechenschaft zu ziehen ist. Damit dies möglich ist, sollten betroffene Personen umgehend einen Arzt aufsuchen und Anzeige bei der Polizei erstatten.
Opfer sollten zudem wissen, dass sie nicht allein sind. Unterstützung erhalten sie unter anderem bei Hilfeeinrichtungen und Beratungsstellen. Anonym und kostenlos ist dies zum Beispiel auch über die Hilfetelefone möglich:
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
- Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 123 9900
Wie kann ich mich vor Stealthing schützen?
Einen vollkommenen Schutz bietet eigentlich nur der Verzicht auf Geschlechtsverkehr. Wer allerdings nicht auf die schönste Nebensache der Welt verzichten will, sollte bei der Partnerwahl auf sein Bauchgefühl hören. Können Sie Ihrem Partner nicht vertrauen oder sind Sie unsicher, sollten Sie sich gründlich überlegen, ob Sie mit diesem schlafen wollen. Für mehr Sicherheit können auch Frauenkondome sorgen, denn diese lassen sich nicht unbemerkt entfernen. Haben Sie während des Geschlechtsverkehrs ein ungutes Gefühl, sollten Sie sich zudem nicht scheuen, den Sex sofort zu abzubrechen.
Habe durch stealthing nun ein Kind jetzt 16Monate alt. Mir war nicht bewusst, das ich keine „Schuld“ daran habe, habe mich schuldig gefühlt und gedacht ich hätte anders handeln müssen. Nun ist es zu spät ihn anzuzeigen??? Kann auch nicht den Vater meines Kindes ins Gefängnis oder gar außer Landes schicken. (Gambia)
Irgendwie ist mein Sohn auch ein kleines Wunder. (Mir wurde kurz zuvor der rechte Eierstock und Eileiter entfernt. Und ü35.
ABER mein Vertrauen ist komplett zerstört und ich kann mir nicht vorstellen wieder Sex zu haben.