Die Möglichkeit, einen Antrag auf Privatinsolvenz zu stellen, gibt es noch nicht allzu lange. Bis 1999 gab es die Verbraucherinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung gar nicht. Vielmehr konnten Gläubiger nach der alten Rechtslage noch 30 Jahre lang gegen ihre Schuldner per Zwangsvollstreckung vorgehen.
Der Gesetzgeber wollte Verbrauchern die damit verbundene Perspektivlosigkeit nehmen. Nach der neuen Insolvenzordnung können Privatpersonen nunmehr Privatinsolvenz anmelden und anschließend schuldenfrei neu beginnen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen.
Der folgende Ratgeber befasst sich unter anderem mit folgenden Fragen: Wie gehe ich in die Privatinsolvenz? Wo melde ich Privatinsolvenz an? Wer hilft mir, den Insolvenzantrag richtig zu stellen?
Inhalt
FAQ: Privatinsolvenz anmelden
Die Privatinsolvenz ist ein Insolvenzverfahren, das nur Verbrauchern und unter bestimmten Bedingungen auch ehemaligen Selbstständigen offen steht.
Das Gesetz schreibt keine Mindesthöhe bei den Schulden vor. Die Privatinsolvenz steht vielmehr jedem Verbraucher offen, der zahlungsunfähig oder völlig überschuldet ist.
Nein. Privatpersonen müssen zuerst versuchen, sich mit all ihren Gläubigern darüber zu einigen, wie die Schulden abgebaut werden sollen. Nur wenn dies scheitert und der Schuldner eine Bescheinigung hierüber vorlegen kann, darf er Privatinsolvenz anmelden. Dieser Nachweis über den gescheiterten Einigungsversuch ist eine wichtige Voraussetzung, um die Verbraucherinsolvenz anmelden zu dürfen.
Unter welchen Voraussetzungen kann ich Privatinsolvenz beantragen?
Die Verbraucherinsolvenz – so der offizielle bzw. juristische Name der Privatinsolvenz steht nur einem bestimmten Personenkreis offen. Wer darunter fällt, regelt § 304 Insolvenzordnung (InsO): Danach dürfen nur natürliche Personen die private Insolvenz anmelden, sprich jeder Mensch als Rechtssubjekt. Das sind zum Beispiel Angestellte, Arbeitslose, Rentner und Hausfrauen.
In Ausnahmefällen dürfen auch ehemals Selbstständige die Privatinsolvenz anmelden. Voraussetzung hierfür ist, dass …
- ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und
- gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, beispielsweise offene Gehälter.
Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse […] nur, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem er Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, weniger als 20 Gläubiger hat.
[Quelle: § 304 Abs. 2 InsO]
Die zweite Voraussetzung, um Privatinsolvenz anmelden zu können, ist ein sogenannter Insolvenzgrund bzw. Eröffnungsgrund. Bei natürlichen Personen kommt die (drohende) Zahlungsunfähigkeit in Betracht. Was darunter zu verstehen ist, erklären die §§ 17 und 18 InsO:
- Zahlungsunfähigkeit bedeutet demnach, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Meistens ist das der Fall, wenn er seine Zahlungen einstellt.
- Um ein drohende Zahlungsunfähigkeit festzustellen, ist eine Prognose erforderlich. Ist der Schuldner voraussichtlich in der Lage, offene Forderungen in dem Moment zu bezahlen, wenn sie fällig werden? Wenn nicht, liegt ebenfalls ein Eröffnungsgrund vor.
Privatinsolvenz anmelden – nach erfolglosem außergerichtlichen Einigungsversuch
Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes allein genügt jedoch nicht. Privatinsolvenz anmelden darf nur der Schuldner, der zuvor vergebens versucht hat, sich mit seinen Gläubigern über den Schuldenabbau zu einigen. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Schuldner mit all seinen Gläubigern verhandelt und ihnen einen Vorschlag unterbreitet, wie genau er seinen Schulden bezahlen möchte. Dieser Vorschlag – beispielsweise eine Ratenzahlung – wird in einem sogenannten Schuldenbereinigungsplan festgehalten.
Stimmen alle Gläubiger zu, erübrigt sich der Antrag für die Privatinsolvenz. Dann muss sich der Schuldner nur an die entsprechende Vereinbarung halten und seine Schulden nach und nach abbauen.
Sollten seine Gläubiger einem Vergleich nicht zustimmen, ist der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert. Der Schuldner muss sich dieses Scheitern von einer anerkannten Schuldnerberatung bescheinigen lassen und kann mit diesem Nachweis die Privatinsolvenz anmelden.
Der Versuch, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung herbeizuführen, gilt als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden.
[§ 305a InsO]
Einen Insolvenzantrag kann übrigens nicht nur der Schuldner stellen, sondern auch dessen Gläubiger. Das gilt aber nur für den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit. Droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, darf nur er Privatinsolvenz anmelden, nicht jedoch seine Gläubiger.
Gibt es Grenzen, wie oft jemand Privatinsolvenz beantragen darf?
Schuldner, deren erstes Insolvenzverfahren scheitert oder die sich erneut überschulden, können die Privatinsolvenz zwar wiederholen, aber nur unter engen Voraussetzungen:
- Hat das Insolvenzgericht bereits eine Restschuldbefreiung erteilt, so besteht eine zehnjährige Sperrfrist. Erst wenn diese abgelaufen ist, kann der Schuldner im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz erneut von seinen Schulden befreit werden.
- Versagte das Gericht eine Restschuldbefreiung aufgrund einer Insolvenzstraftat, so muss der Schuldner fünf Jahre warten, bis er Privatinsolvenz anmelden und einen neuen Versuch für diesen Schuldenerlass starten kann.
- Wer in einem früheren Verfahren seine Vermögensverhältnisse falsch oder nur unvollständig offengelegt hat, kann erst nach drei Jahren die Insolvenz wiederholen. Dies gilt z. B. auch bei einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit oder einer Vermögensverschwendung.
Gläubiger können während der Privatinsolvenz Verstöße anzeigen, wenn der Schuldner seinen Obliegenheiten nicht nachkommt. Anzeige bedeutet in diesem Fall, dass sie die Versagung der Restschuldbefreiung beim Insolvenzgericht beantragen. Kommt dieses dem Antrag nach, ist das Insolvenzverfahren gescheitert, sämtliche Schulden bleiben bestehen.
Wie meldet man Privatinsolvenz an? – Auf keinen Fall im Alleingang
Bevor Sie voreilig Privatinsolvenz anmelden, gilt es einige Dinge zu beachten. Zunächst stellt sich die Frage, ob dieses Verbraucherinsolvenzverfahren für Sie überhaupt der richtige Weg ist oder ob es nicht eine besser geeignete Lösung gibt.
Wenden Sie sich daher zuerst an eine Schuldnerberatungsstelle oder einen Fachanwalt für Insolvenzrecht, um zu klären, welches Vorgehen in Ihrem Fall das Richtige ist. Sie benötigen auch aus zwei anderen Gründen fachlich kompetente Unterstützung:
Zum einen ist das Insolvenzrecht sehr komplex, sodass Laien Gefahr laufen, folgenschwere Fehler zu machen, z. B. bei der Beantragung oder im Zusammenhang mit ihren Pflichten und Obliegenheiten während des Verfahrens.
Zum anderen können Sie erst dann Privatinsolvenz anmelden, wenn Sie dem Insolvenzgericht die oben erwähnte Bescheinigung über das Scheitern einer außergerichtlichen Einigung und den Schuldenbereinigungsplan vorlegen können.
Zusammengefasst benötigen Sie laut § 305 InsO insbesondere folgende Unterlagen für Ihren Eröffnungsantrag:
- Bescheinigung einer geeigneten Stelle über das Scheitern des außergerichtlichen Vergleichs unter Angabe der Gründe des Scheiterns
- Schuldenbereinigungsplan
- gesonderter Antrag auf Beteiligung der Restschuldbefreiung
- Vermögensverzeichnis und Vermögensübersicht
- Verzeichnis über sämtliche Gläubiger und deren Forderungen einschließlich einer Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Angaben
- Privatinsolvenzantrag
Häufig gestellte Fragen zum Thema „Privatinsolvenz anmelden“
Im Folgenden haben wir ein kleines FAQ für Sie zusammengestellt, welches die wichtigsten Fragen rund um die Beantragung der Verbraucherinsolvenz beantwortet.
Privatinsolvenz: Ist der Antrag schriftlich zu stellen?
Ja, so schreibt es § 305 InsO vor. Hierfür müssen Antragsteller zwingend die entsprechenden amtlichen Formulare verwenden. Diese können Sie auf der Website des Bundesministeriums der Justiz herunterladen.
Wenn Sie Privatinsolvenz anmelden, müssen Sie unter anderem folgende Dinge in den entsprechenden Formularen angeben: persönliche Informationen zu Ihrer Person wie Ihren Familienstand, Ihrer beruflichen Situation und Ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten Personen. Diese Daten dienen der Berechnung des pfändbaren Einkommensanteils, den Sie an den Insolvenzverwalter abtreten müssen. Die Höhe des pfändbaren Anteils richtet sich nach der sogenannten Pfändungstabelle, die nicht nur bei der Pfändung bzw. Einzelzwangsvollstreckung, sondern auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet.
Achten Sie auch darauf, dass Sie den Insolvenzantrag nach dem Ausfüllen eigenhändig unterschreiben.
Ich möchte Privatinsolvenz beantragen – ist das online möglich?
Nein, Sie müssen die Privatinsolvenz schriftlich anmelden. Sie können lediglich die Formulare online herunterladen und gegebenenfalls auch online ausfüllen. Sie müssen ihn jedoch anschließend ausdrucken und an das Insolvenzgericht übermitteln. Einen Online-Antrag sieht das Gesetz aktuell nicht vor.
Was passiert, wenn ich den Insolvenzantrag unvollständig ausgefüllt habe?
In diesem Fall wird das Insolvenzgericht Sie auffordern, die im Formular fehlenden Informationen zu ergänzen. Hierfür hat er gewöhnlich einen Monat Zeit. Hält er diese Frist nicht ein, so gilt sein Antrag nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen.
Wo meldet man Privatinsolvenz an?
Wo Sie Ihre Privatinsolvenz beantragen müssen, richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand. Dementsprechend fungiert das Amtsgericht als Insolvenzgericht, an welchem Sie Ihren Wohnsitz haben.
Privatinsolvenz anmelden: Welche Kosten entstehen?
Menschen, die eine Entschuldung im Wege der Privatinsolvenz anstreben, sollten bedenken, dass dieses Verfahren für Schuldner nicht kostenlos ist.
Die ersten Kosten können bereits entstehen, bevor Sie Privatinsolvenz anmelden, und zwar dann, wenn Sie einen Anwalt für Insolvenzrecht einschalten, der Ihnen bei beim Schuldenabbau und allen Angelegenheiten rund um die Insolvenz hilft. Es empfiehlt sich, mit ihm ein pauschales Honorar zu vereinbaren. So wissen Sie von Anfang an, welche Anwaltskosten auf Sie zukommen.
Sie können übrigens beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen. Bewilligt das Gericht die Beratungshilfe, so trägt der Staat die Anwaltskosten. Für Sie fällt dann allenfalls eine Gebühr von 15 Euro an.
Dieser Schein gilt aber nur für die Kosten, die bis zur Bescheinigung des gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs entstehen. Die Kosten für die Beantragung und anwaltliche Vertretung im Verfahren sind nicht inbegriffen.
Sobald Sie Privatinsolvenz anmelden, entstehen Verfahrenskosten. Diese setzen sich aus den Gerichtskosten und den Kosten für den Insolvenzverwalter (Vergütung und Auslagen) zusammen. Die Höhe dieser Kosten wird anhand der Insolvenzmasse berechnet, richtet sich also nach Ihrem pfändbaren Schuldnervermögen.
Normalerweise eröffnet das Insolvenzgericht ein Insolvenzverfahren nur dann, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um diese Verfahrenskosten zu decken. Um jedoch auch völlig mittellosen Schuldnern eine Schuldenregulierung per Verbraucherinsolvenz zu ermöglichen, können die eine Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO beantragen. Prozesskostenhilfe (PKH) gibt es im Insolvenzverfahren jedoch nicht.
Dauer der Privatinsolvenz nicht unterschätzen und Folgen bedenken
Wenn Sie Privatinsolvenz anmelden möchten, sollten Sie auch bedenken, dass die Angelegenheit nicht in einigen wenigen Monaten abgeschlossen ist. Im Normalfall dauert dieses Verfahren ab Insolvenzeröffnung sechs Jahre. Das ist eine lange Zeit, in der Sie einige Einschränkungen hinnehmen und bestimmte Pflichten erfüllen müssen, wenn Sie in den Genuss einer Restschuldbefreiung kommen möchten:
- Zum einen müssen Sie auf einen gesetzlich festgelegten Teil von Ihrem Gehalt bzw. Einkommen verzichten und diesen an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abführen. Hierfür unterschreiben Sie im Formular zum Insolvenzantrag eine entsprechende Abtretungserklärung.
- Wer ein Grundstück oder eine Eigentumswohnung besitzt, muss damit rechnen, dass diese/s gepfändet und verwertet wird.
- Wenn Sie Privatinsolvenz anmelden, müssen Sie Ihre gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen und Auskunft hierüber erteilen – auch dann, wenn Sie z. B. erben oder eine Schenkung erhalten. Diese Einnahmen fließen dann unter Umständen in die Insolvenzmasse.
- Arbeitslose Menschen müssen sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen und dies auch nachweisen. Um dieser Erwerbsobliegenheit nachzukommen, reicht es übrigens nicht aus, sich arbeitslos zu melden.
- Das Insolvenzgericht macht jede Verbraucherinsolvenz öffentlich bekannt. Auch bei der SCHUFA können entsprechende Einträge auftauchen.
- Wer Privatinsolvenz anmelden und die Restschuldbefreiung erlangen möchte, muss sich auf einen bescheidenen Lebensstil beschränken. Verschwendungen können zu einer Versagung dieser Schuldenbefreiung führen.
Dies sind bei weitem nicht alle Dinge, die Sie vor und während der Insolvenz beachten müssen. Lassen Sie sich während dieser Zeit von einer öffentlichen bzw. gemeinnützigen Schuldnerberatung begleiten und unterstützen. Diese bieten ihre Leistungen kostenlos an und können Ihnen helfen, Fallstricke und folgenreiche Fehler zu vermeiden. Beachten Sie jedoch, dass Sie unter Umständen lange auf einen Termin warten müssen, weil die Nachfrage sehr hoch ist.
Ich finde es sehr plausibel, dass nur der Schuldner Insolvenz anmelden kann. Denn er ist ja auch verantwortlich für das Unternehmen. Am besten lässt man sich bei der Insolvenzanmeldung beraten.
Vielen Dank für diese Hinweise zum Thema Privatinsolvenz. Mein Bruder steht vor der Insolvenz und wird sich demnächst an einen Rechtsanwalt wenden. Guter Hinweis, dass die zweite Voraussetzung, um Privatinsolvenz anmelden zu können, ein sogenannter Insolvenzgrund bzw. Eröffnungsgrund ist.