Zum ersten Januar 2017 trat das zweite Pflegestärkungsgesetz in Deutschland endgültig in Kraft. Die Politik reagierte damit auf die immer älter werdende Bevölkerung und gestand pflegebedürftigen Menschen höhere Leistungen zu.
Die bis dato geltenden Pflegestufen wurden durch die Pflegegrade abgelöst. Diese geben an, wie hilfebedürftig ein Mensch bei der Bewältigung seines Alltags ist. Doch wie genau können Sie die Anerkennung von einem Pflegegrad beantragen?
Wie läuft die Begutachtung, welche der Einteilung in Pflegegrade zu Grunde liegt, ab? Was können Sie tun, wenn der für den Pflegegrad gestellte Antrag abgelehnt wird? Diesen Fragen geht der nachfolgende Ratgeber auf den Grund und informiert Sie umfassend.
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Inhalt
FAQ: Pflegegrad beantragen
Voraussetzung hierfür ist die Pflegebedürftigkeit. Diese liegt vor, wenn Sie oder ein Angehöriger gesundheitlich so beeinträchtigt sind/ist, dass die Selbstständigkeit eingeschränkt wird. Diese Beeinträchtigungen müssen für mindestens sechs Monate anhalten.
Einen Pflegegrad zu beantragen, geht relativ unkompliziert, indem Sie den Antrag schriftlich oder per Telefon bei der Pflegekasse stellen. Sie erhalten dann ein Antragsformular für einen Pflegegrad. Im nächsten Schritt erhalten Sie Besuch von einem Gutachter, welcher die Situation vor Ort bewertet.
Dem Gutachten liegt ein Punktesystem zu Grunde, anhand dessen der jeweilige Pflegegrad ermittelt wird. Welche Kriterien dabei eine besondere Rolle spielen, erfahren Sie hier.
Wer kann einen Antrag auf Pflegegrad stellen?
Die Leistungen aus der Pflegeversicherung sollen Menschen zu Gute kommen, welche aufgrund geistiger oder körperlicher Beeinträchtigungen Probleme haben, ihren Alltag selbst bzw. ohne Hilfe zu bewältigen.
Dabei können sowohl der Betroffene selbst, ein Bevollmächtigter oder der gesetzliche Betreuer einen Pflegegrad beantragen. Es empfiehlt sich, den Antrag so früh wie möglich zu stellen, da die Leistungen rückwirkend ab Antragsstellung gewährt werden.
In § 14 Absatz 1 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist noch einmal zusammengefasst, ab wann ein Mensch als pflegebedürftig gilt und entsprechend Anspruch auf die Anerkennung eines Pflegegrads hat:
Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellen: So gehen Sie vor
Die Pflegekasse ist an die Krankenkasse angegliedert. Wollen Sie also einen Pflegegrad beantragen, müssen Sie sich an Ihre Pflegekasse wenden. Sind privat versichert, können Sie die Leistungen entsprechend bei Ihrer privaten Pflegeversicherung beantragen.
Dafür reicht zunächst ein formloses Schreiben aus. Per E-Mail ist es nicht möglich, einen Pflegegrad zu beantragen, es sei denn, Sie scannen einen schriftlichen Antrag ein. Ganz wichtig: Dieser muss unbedingt vom Antragssteller unterschrieben werden.
Gut zu wissen: Ist es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, dass die pflegebedürftige Person den Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung selbst unterschreibt, reicht auch die Unterschrift eines Bevollmächtigten aus.
Wie geht es nach dem Antrag auf Pflegeleistungen weiter?
Doch wie geht es weiter, wenn Sie einen Pflegegrad beantragen? Die Pflegekasse wir Ihnen ein Formular zusenden. In diesem können Sie zunächst angeben, welche Art der Leistungen Sie beantragen wollen.
Dabei gibt es in aller Regel drei Optionen: Leistungen für die Pflege durch Angehörige, einen ambulanten Pflegedienst oder eine stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim. Brauchen Sie Hilfe beim Ausfüllen des Dokuments, können Sie sich an einen Pflegeberater Ihrer Pflegekasse wenden.
Pflegegrad ermitteln: So läuft die Begutachtung ab
Haben Sie das Formular, um Pflegegeld zu beantragen, ausgefüllt, wird die Pflegekasse Ihnen einen Gutachter nach Hause schicken. Es handelt sich dabei nicht um einen unangekündigten Besuch. Vielmehr können Sie mit dem Gutachter einen Termin vereinbaren.
Die Begutachtung selbst erfolgt anhand einheitlicher Begutachtungsleitlinien. In unterschiedlichen Bereichen werden Punkte vergeben. Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick der Bereiche sowie deren Gewichtung bei der Punktevergabe:
- Mobilität: 10 Prozent
- Geistige und kommunikative Fähigkeiten: 15 Prozent (aus den Bereichen zwei und drei fließt der Bereich mit den höheren Werten ein)
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 15 Prozent (aus den Bereichen zwei und drei fließt der Bereich mit den höheren Werten ein)
- Selbstversorgung: 40 Prozent
- Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung: 20 Prozent
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: 15 Prozent
Die Selbstversorgung wird am meisten gewichtet, wenn es darum geht zu ermitteln, welcher Pflegegrad einer hilfebedürftigen Person zusteht. Je stärker der Betroffene in diesem Bereich eingeschränkt ist, desto höher fällt letztendlich die Gesamtpunktzahl aus.
Unsere Tabelle verschafft Ihnen einen Überblick, welcher Pflegegrad bei der entsprechenden Punktzahl bewilligt wird:
Punkte | Pflegegrad |
---|---|
12,5 bis unter 27 | 1 |
27 bis unter 47,5 | 2 |
47,5 bis unter 70 | 3 |
70 bis unter 90 | 4 |
90 bis 100 | 5 |
Wichtig: Sie können nicht nur einmal einen Pflegegrad beantragen. Verschlechtert sich der Zustand des Betroffenen erheblich, kann es Sinn ergeben, einen Antrag auf die Höherstufung des Pflegegrads zu stellen. In diesem Fall wird ein neues Gutachten angefertigt.
Antrag auf Pflege abgelehnt: Was können Sie nun tun?
Nicht immer bringt ein Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung den gewünschten Erfolg. Dieser kann abgelehnt werden, wenn der Gutachter der Meinung ist, dass die Beeinträchtigungen nicht ausreichen, um einen Pflegegrad zu rechtfertigen.
Sind Sie von einem negativen Antrag betroffen, können Sie binnen eines Monats nach Erhalt einen schriftlichen Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Eine Begründung ist nicht umgehend vonnöten, sie kann auch nachgereicht werden.
Die Pflegeversicherung wird dann anhand der Aktenlage über den Widerspruch entscheiden oder erneut einen Gutachter vorbeischicken. Führt die erneute Begutachtung nicht zu dem von Ihnen gewünschten Ergebnis, bleibt als letztes Mittel die Klage vor einem Sozialgericht.
Es empfiehlt sich, wenn Sie eine Klage anstreben, einen Anwalt zu konsultieren. Dieser kann Sie kompetent beraten und die Erfolgsaussichten einschätzen. Gewinnen Sie das Verfahren vor Gericht, muss die Pflegekasse für die Anwaltskassen aufkommen.
Wichtig: Die Pflegeversicherung hat grundsätzlich nur 25 Tage Zeit, über einen Antrag auf Pflegeleistungen zu entscheiden. Dies ist gesetzlich in § 18 Absatz 3 SGB XI geregelt. So soll sichergestellt werden, dass die Betroffenen schnellstmöglich die Hilfen erhalten, die ihnen zustehen.