In Zeiten, in denen die Gesellschaft immer älter wird, tritt auch die Pflege mehr in den Vordergrund. Aus diesem Grund traten zum 1. Januar 2017 das zweite und dritte Pflegestärkungsgesetz in Kraft. Die bis dato verwendeten Pflegestufen wurden durch die Pflegegrade abgelöst.
Der Pflegegrad gibt nunmehr an, inwiefern eine Person pflegebedürftig ist. Je nach Ausprägung der Pflegebedürftigkeit hat der Betroffene Anspruch auf unterschiedliche Leistungen zur Bewältigung des Alltags.
Doch wie lässt sich der angemessene Pflegegrad ermitteln? Welche Stufen der Pflegegrade gibt es? Wie können Sie die Leistungen beantragen? Diesen Fragen geht der nachfolgende Ratgeber auf den Grund und informiert Sie umfassend.
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Inhalt
FAQ: Pflegegrad
Der Pflegegrad gibt an, wie hilfebedürftig eine Person im Alltag ist. Er stellt die Grundlage dar für die jeweiligen Pflegeleistungen, die dem Betroffenen gemäß Sozialrecht zustehen.
Der Pflegegrad wird anhand von Begutachtungsrichtlinien ermittelt. Dabei spielen unterschiedliche Kriterien eine wichtige Rolle. Welche das sind, können Sie hier nachlesen.
Sie selbst können nicht berechnen, welcher Pflegegrad Ihnen oder einem anderen zusteht. Dies muss stets ein Gutachter ermitteln.
Spezielle Ratgeber zum Pflegegrad
Pflegegrad: Definition des Begriffs
Immer wieder stellt sich die Frage, ab wann ein Mensch eigentlich als pflegebedürftig gilt. Diese ist pauschal nicht zu beantworten, da eine Pflegebedürftigkeit in unterschiedlichen Formen auftreten kann. Um diesem Umstand gerecht zu werden, trat in Deutschland zum 1. Januar 2017 das zweite Pflegestärkungsgesetz in Kraft.
Es brachte weitreichende Änderungen mit sich: Die bis dato bestehenden Pflegestufen, die ausdrücken sollten, wie hilfebedürftig ein Mensch ist, wurden durch Pflegegrade abgelöst. Dies erstreckt sich über den Pflegegrad 1 bis zum Pflegegrad 5.
Diese Änderung ist dem Umstand geschuldet, dass es bei den Pflegestufen noch eine unterschiedliche Behandlung von körperlich bedingten und geistig bedingten Beeinträchtigungen gab. Letztere werden durch den Pflegegrad stärker berücksichtigt.
Dadurch rückt der einzelne Mensch mehr in den Fokus, dessen konkrete Bedürfnisse nun stärker berücksichtigt werden können. Daher muss für jeden Pflegebedürftigen der Pflegegrad einzeln ermittelt werden.
Gut zu wissen: Wer bis zu Beginn des Jahres 2017 Leistungen gemäß einer Pflegestufe erhalten hat, musste keinen neuen Antrag auf die Anerkennung von einem Pflegegrad stellen. Die Änderung in Pflegegrade erfolgte automatisch.
Pflegegrad: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Um einen Pflegegrad zugesprochen zu bekommen, müssen Sie eine Pflegebedürftigkeit nachweisen. In § 14 Absatz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist definiert, wann ein Mensch in Deutschland als pflegebedürftig gilt:
Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens in der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
Kurzzeitige körperliche Beeinträchtigungen, beispielsweise in Folge einer Operation können somit nicht dazu führen, dass eine kurzfristige Pflegebedürftigkeit anerkannt wird. Weiterhin kann auch ein Pflegegrad für Kinder anerkannt werden, das Alter spielt keine Rolle bei der Beurteilung.
Welche Pflegegrade gibt es und wie werden sie ermittelt?
Zum Januar 2017 eingeführt wurden die Pflegegrade 1 bis 5. Welche Leistungen mit dem jeweiligen Pflegegrad verbunden sind, erläutern wir im weiteren Textverlauf. Jetzt geht es erst einmal darum zu erklären, wie überhaupt ermittelt wird, welcher Pflegegrad einer Person zusteht.
Zu diesem Zweck lässt die Pflegekasse ein Gutachten erstellen. Der Gutachter wird mit Ihnen einen Termin vereinbaren, unangekündigte Besuche gibt es nicht. Folgende sechs Lebensbereiche werden der Begutachtung, welcher Pflegegrad für die jeweilige Person angemessen ist, zu Grunde gelegt:
- Mobilität: Hierbei geht es vor allem um die körperliche Beweglichkeit. Der Gutachter wird entsprechend prüfen, ob der Betroffene selbstständig die Position im Bett wechseln, sich im Wohnbereich fortbewegen oder auch Treppen steigen kann.
- Geistige und kommunikative Fähigkeiten: Der Gutachter überprüft, ob sich die pflegebedürftige Person selbstständig orientieren kann. Zudem liegt der Fokus bei der Überprüfung darauf, ob der Betroffene Personen aus dem näheren Umfeld erkennt, sich an Gesprächen beteiligt, Aufforderungen versteht, elementare Bedürfnisse mitteilen kann und Risiken bzw. Gefahren erkennt.
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: In diesem Modul wird berücksichtigt, ob die Person Anzeichen von Ängsten oder Aggressionen aufweist, in der Nacht unruhig ist oder auch Abwehrreaktionen gegen pflegerische Maßnahmen zeigt.
- Selbstversorgung: In diesem Bereich spielt es eine Rolle, ob sich der Betroffene noch selbst waschen und anziehen kann. Zudem wird überprüft, ob die Person noch selbst dazu in der Lage ist, Nahrung aufzunehmen oder den Gang zur Toilette zu vollziehen.
- Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung: Hierbei erfolgt eine Begutachtung der Eigenständigkeit in Bezug auf die Einnahme von Medikamenten oder beispielsweise das Messen des Blutzuckerspiegels. Zudem ist entscheidend, ob die betroffene Person eigenständig einen Arzt aufsuchen kann.
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Zu guter Letzt wird überprüft, ob die begutachtete Person den Tagesablauf selbst gestalten und verändern, sich beschäftigen und in Kontakt zu anderen Menschen treten kann.
Je nachdem, inwiefern die pflegebedürftige Person diese Dinge noch selbst ausführen kann, wird bemessen, welcher Pflegegrad letztendlich angemessen erscheint. So wird der Gutachter für jeden Bereich den Grad der Selbstständigkeit ermitteln.
Die Grundlage hierfür bildet ein Punktesystem. Für jeden Teilbereich ist eine Punktzahl zwischen 0 (Person kann Aktivität ohne eine helfende Person durchführen, jedoch gegebenenfalls allein mit Hilfsmitteln) und 3 (Person kann die Aktivität nicht durchführen, auch nicht in Teilen).
Zur Ermittlung vom Pflegegrad werden die Punkte mit unterschiedlicher Gewichtung addiert. Es handelt sich hierbei also um einen durchaus komplexen Prozess. Daher ist es nicht möglich, dass Betroffene oder Angehörige den Pflegegrad selbst ermitteln.
Gut zu wissen: Zwar fließen diese Kriterien nicht in das Punktesystem ein, da sie mit den Fragen zu den einzelnen Lebensbereichen schon abgedeckt sind, aber die Gutachter werden sich auch nach außerhäuslichen Aktivitäten und der Haushaltsführung erkundigen. Diese Informationen können für die Erstellung eines Pflegeplans von großer Bedeutung sein.
Welche Punktezahl führt zu welchem Pflegegrad?
Der nachfolgenden Tabelle können Sie entnehmen, anhand welcher Punktzahl die entsprechenden Pflegegrade vergeben werden:
Punkte | Pflegegrad |
---|---|
12,5 bis unter 27 | 1 |
27 bis unter 47,5 | 2 |
47,5 bis unter 70 | 3 |
70 bis unter 90 | 4 |
90 bis 100 | 5 |
Für den Pflegegrad nötige Überprüfungen: Wie oft werden diese durchgeführt?
Beantragen Sie einen Pflegegrad für sich selbst oder einen Angehörigen, wird die Prüfung des Bedarfs zeitnah durchgeführt. Eine erneute Überprüfung erfolgt in aller Regel nur, wenn Sie eine Höherstufung beantragen.
Die Wiederholungsbegutachtung ist also erforderlich, wenn sich der Zustand der pflegebedürftigen Person entsprechend verschlechtert hat. Auch bei einem Widerspruch in die Einstufung eines bestimmten Pflegegrads erfolgt eine erneute Überprüfung der Pflegebedürftigkeit.
Pflegegrad: Welche Leistungen gibt es?
Die Leistungen der Pflegeversicherung erstrecken sich auf unterschiedliche Bereiche. Je nach Pflegegrad variiert die Höhe der Sach- und Geldleistungen. Nachfolgend wollen wir zunächst einmal die drei Säulen der finanziellen Hilfe für Pflegebedürftige vorstellen:
- Pflegegeld: Übernehmen Angehörige oder Ehrenamtliche die häusliche Pflege eines hilfebedürftigen Menschen, kann der Betroffene Pflegegeld beantragen. Je nach Pflegegrad beträgt dieses bis zu 947 Euro pro Monat (Stand 2024).
- Pflegesachleistungen (bei häuslicher Pflege): Durch diese Leistungen kann die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen werden. Diese betragen je nach Pflegegrad bis zu 1.995 Euro im Monat.
- Leistungen bei vollstationärer Pflege: Kann ein Betroffener zuhause nicht mehr versorgt werden und muss in einem Pflegeheim untergebracht werden, können Leistungen von bis zu 2.005 Euro pro Monat in Anspruch genommen werden, sofern der Pflegegrad 5 vorliegt.
Wichtig: Logischerweise lassen sich die Leistungen zur stationären und ambulanten Pflege nicht miteinander kombinieren. Allerdings ist es möglich, Pflegegeld und Sachleistungen zu verbinden. Liegen beispielsweise die tatsächlichen Aufwendungen für einen ambulanten Pflegedienst unter dem gemäß Pflegegrad angegebenen Höchstsatz, kann der Differenzbetrag als Pflegegeld ausgezahlt werden.
Geld und Sach-Pflegegrade-Leistungen als Tabelle zusammengefasst
Pflegegrad | Geldleistung (ambulant) | Sachleistung (ambulant) | Leistungsbetrag (vollstationär) |
---|---|---|---|
1 | - | - | - |
2 | 332 € | 724 € | 770 € |
3 | 573 € | 1.363 € | 1.262 € |
4 | 765 € | 1.693 € | 1.775 € |
5 | 947 € | 2.095 € | 2.005 € |
Der Entlastungsbetrag beträgt 125 € für jeden Pflegegrad | |||
(Stand 2024) |
Pflegegrad beantragen: So gehen Sie vor
Viele Betroffene stellen sich die Frage, wann eigentlich der richtige Zeitpunkt ist, einen Pflegegrad zu beantragen. Die Antwort darauf lautet: so früh wie möglich. Kommt es zu Beeinträchtigungen im Alltag, die voraussichtlich länger als sechs Monate anhalten werden, können Sie sich an die Pflegekasse wenden.
Voraussetzung für eine Antragsstellung ist, dass Sie mindestens zwei Jahre innerhalb der vergangenen zehn Jahre in die Pflegekasse eingezahlt haben. Bei dieser können Sie anrufen oder einen kurzen Brief schreiben, um die Leistungen aus der Pflegeversicherung zu beantragen.
Sie erhalten sodann Unterlagen, die Sie ausfüllen müssen, und die Pflegekasse wird einen Gutachter vorbeischicken, der anhand der Begutachtungsleitlinien feststellt, welcher Pflegegrad angemessen erscheint.
Ist die Begutachtung abgeschlossen, erhalten Sie in den folgenden Tagen einen Bescheid, in welchem aufgeführt ist, welcher Pflegegrad dem Antragsteller zugesprochen wird.
Wichtig: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass zwischen der Antragstellung auf Anmerkung von einem Pflegegrad und dem Bescheid über die Bewilligung nur maximal 25 Arbeitstage liegen dürfen. So soll sichergestellt werden, dass pflegebedürftige Menschen schnellstmöglich die Hilfen erhalten, die ihnen zustehen.
Wann können sich die Leistungen und der Pflegegrad erhöhen?
Der Grad der Pflegebedürftigkeit kann sich im Laufe der Zeit ändern. Gerade bei älteren Menschen kommt es häufig vor, dass die Einschränkungen im Alltag ein immer größeres Ausmaß annehmen und die Hochstufung in einen anderen Pflegegrad rechtfertigen.
In diesem Fall müssen Sie sich erneut mit der Pflegekasse in Verbindung setzen und eine Hochstufung beantragen. Sind Sie nicht sicher, ob ein höherer Pflegegrad gerechtfertigt ist, können Sie dies auch mit Ihrem Arzt besprechen.
Dieser berät Sie kompetent beraten und informiert Sie darüber, welche Einschränkungen im Alltag eine Höherstufung begründen. Zudem kann der Mediziner Sie auch beraten, inwiefern die Unterbringung in einem Pflegeheim Sinn ergibt.
Pflegegrad abgelehnt: Und nun?
Wie bereits erwähnt, erhalten Sie nach dem Besuch des Gutachters einen Bescheid, in welchem angegeben ist, welcher Pflegegrad ermittelt wurde. Es kann allerdings auch vorkommen, dass keine Pflegebedürftigkeit anerkannt wird.
Sehen Sie dennoch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung gegeben, können Sie einen Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Sie haben nach Erhalt des Dokuments einen Monat Zeit, den Widerspruch einzulegen.
Bedenken Sie, dass dieser unbedingt schriftlich bei der Pflegekasse eingereicht werden muss. Per E-Mail ist dies nicht möglich. Mit dem Eingang des Widerspruchs beginnt das sogenannte Widerspruchsverfahren.
Die Pflegekasse wird die Entscheidung noch einmal überprüfen und ggf. einen zweiten Gutachter bei Ihnen vorbeischicken. War Ihr Widerspruch erfolgreich, erhalten Sie die sogenannte Abhilfe, also einen positiven Bescheid. Bleibt die Pflegekasse bei Ihrer Entscheidung, wird Ihnen ein Widerspruchsbescheid zugestellt.
Gut zu wissen: Als letztes Mittel, um die Anerkennung von einem Pflegegrad durchzusetzen, bleibt dann noch eine Klage vor dem Sozialgericht. Es empfiehlt sich, einen Anwalt zu konsultieren, bevor Sie diesen Schritt einleiten. Dieser kann Sie über die Erfolgsaussichten beraten und Sie vor Gericht vertreten.