Journalisten sollen nicht nur die Menschen mit Nachrichten aus aller Welt versorgen, auch im gesamtstaatlichen Bereich kommt ihnen eine wichtige Aufgabe zu. Daher werden sie nicht selten als vierte Gewalt im Staat bezeichnet.
Gerade der investigative Journalismus erfüllt diese wichtige Aufgabe und soll in einer Demokratie Politik und Wirtschaft quasi „überwachen“. Durch intensive Recherche sollen Missstände oder Veruntreuungen aufgedeckt werden.
In diesem Zusammenhang spielen auch sogenannte Whistleblower als Informanten eine wichtige Rolle. Wie funktioniert der investigative Journalismus genau? Welche Tricks wendet ein Enthüllungsjournalist bei der Recherche an?
Gibt es per Gesetz Grenzen für den investigativen Journalismus oder heiligt der Zweck in diesem Fall die Mittel? All diesen Fragen geht der nachfolgende Ratgeber auf den Grund. Sie erfahren, wie in Deutschland investigativ Journalismus betrieben wird und warum der Name Günther Wallraff bei Axel Springer noch heute Empörung auslöst.
Inhalt
FAQ: Investigativer Journalismus
Es handelt sich dabei um eine Form des Journalismus, welche Missstände aufdeckt. Hier erhalten Sie eine ausführliche Definition.
Investigativer Journalismus soll gesellschaftliche, vor allem aber auch politische Missstände aufdecken.
Geht es um investigativen Journalismus in Deutschland, fällt oft der Name Günther Wallraff. Was Wallraff aufgedeckt hat, können Sie hier nachlesen.
Was ist investigativer Journalismus? Eine Definition
Eine allgemeingültige, umfassende Definition vom investigativen Journalismus gestaltet sich schwierig, da dieser in vielen Formen praktiziert werden kann. Die Bezeichnung Investigativer Journalismus wird aus dem lateinischen abgeleitet (investigare = aufspüren, genauestens untersuchen).
Es handelt sich also um eine Darstellungsform, welche eine enorme Recherchearbeit erfordert, die nicht selten über mehrere Monate andauert. Ziel ist es, der Aufgabe von Journalisten als vierte und somit überwachende Gewalt im Staat gerecht zu werden.
Daher übernimmt der investigative Journalismus die Aufgabe der Kontrolle von Staatsorganen und Wirtschaftskonzernen. In einer Demokratie ist dies unerlässlich, um eventuelle Missstände oder Betrug aufdecken zu können.
Die Journalisten hinterfragen hier die Politiker und Größen der Wirtschaft und können somit nicht selten illegale Aktivitäten bzw. Straftaten aufdecken. Der Enthüllungsjournalismus ist eine Form der investigativen Arbeit von Medienmachern.
Dabei geht es auch darum, Skandalgeschichten rund um Prominente aufzudecken. Somit ist diese Form der investigativen Arbeit eher der Boulevardpresse zuzuordnen.
Woodward und Bernstein ebnen den Weg
Seine erste Hochphase erlebte der investigative Journalismus in den 1970er Jahren in den USA. Bis heute gilt die sogenannte Watergate-Affäre als Inspiration vieler Journalisten, im investigativen Bereich zu arbeiten. Was war passiert?
Als Watergate-Affäre wird eine Reihe von Ereignissen rund um den Amtsmissbrauch des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Richard Nixon bezeichnet, welche schließlich zur bis dato einzigen Amtsenthebung eines Präsidenten in der amerikanischen Geschichte führte.
In der Nacht zum 17. Juni 1972 wurden fünf Einbrecher verhaftet, welche versucht hatten, Abhörwanzen im Hauptquartier der Demokratischen Partei zu installieren. Die Einbrecher haben zudem auch versucht, für den Wahlkampf wichtige Dokumente zu fotografieren.
Die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein der Washington Post vermuteten hier eine vom Weißen Haus gelenkte Aktion, um die gegnerische Partei im Wahlkampf zu schwächen. Im Rahmen ihrer Recherchen zum Watergate-Einbruch erhielten die Journalisten wichtige Insiderinformationen zum Stand der Ermittlungen des FBI.
Durch die konsequente Berichterstattung wurde die breite Öffentlichkeit auf die politische Verschwörung unter Einschluss des Weißen Hauses aufmerksam. Am 9. August 1974 musste Nixon schließlich als Präsident zurücktreten.
Bernstein und Woodward wurden für ihre Berichterstattung zur Watergate-Affäre 1973 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und gelten bis heute als große Vorbilder, durch welche der investigative Journalismus an Bedeutung gewann.
Wozu dient der Investigativjournalismus?
Wie schon aus der Ableitung des Namens deutlich wird, dient investigativer Journalismus dazu, Prozesse genau zu untersuchen und somit mögliche Ungereimtheiten aufzudecken. Wie die Watergate-Affäre zeigt, kann dies nicht selten schwerwiegende gesellschaftliche und politische Konsequenzen nach sich ziehen.
Das macht den investigativen Journalismus allerdings zu einer der wichtigsten Funktionen des Journalismus überhaupt. Die Aufdeckung von Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen kann nämlich nicht immer nur von Polizei oder Staatsanwaltschaft betrieben werden.
Journalisten können zudem auf den Informantenschutz zurückgreifen. Wie im Fall von Mark Felt in den USA, muss auch in Deutschland kein Journalist seine Quellen nennen und kann von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Ist also ein Informant in etwaige korrupte Prozesse involviert, so läuft dieser bei der Informationsweitergabe nicht Gefahr, verhaftet zu werden. Der Informantenschutz ist eine wichtige Voraussetzung für die Pressefreiheit.
Ist investigativer Journalismus mit dem Presserecht vereinbar?
Grundsätzlich lassen sich im Presserecht keine Punkte finden, die das Praktizieren von investigativem Journalismus untersagen würden. Allerdings gibt es bei der Recherche Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.
Gemäß Pressekodex sollten sich Journalisten stets als solche zu erkennen geben. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die in Ziffer 4 Richtlinie 4.1 definiert sind:
Journalisten geben sich grundsätzlich zu erkennen. Unwahre Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt, sind grundsätzlich mit dem Ansehen und der Funktion der Presse nicht vereinbar.
Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind.
Es muss also, wenn investigativer Journalismus betrieben wird, genau abgewogen werden, ob eine verdeckte Recherche in diesem Fall zulässig ist.
Konsortium investigativer Journalisten
Das Internationale Netzwerk investigativer Journalisten (englisch International Consortium of Investigative Journalists, abgekürzt ICIJ) ist eine gemeinnützige Organisation, welche in den USA gegründet wurde. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken.
Es handelt sich dabei um ein Netzwerk investigativer Journalisten aus 70 verschiedenen Ländern. Zurzeit sind mehr als 200 Journalisten Mitglieder. Das ICIJ wertet unter anderem Millionen Unterlagen über Steueroasen und Briefkastenfirmen sowie geheime Finanzgeschäfte bekannter Persönlichkeiten in Steueroasen aus. Dazu gehören auch die Bekannten Panama und Paradise Papers.
Enthüllungsjournalisten in Deutschland
Investigativer Journalismus in Deutschland ist vor allem mit einem Namen eng verknüpft: Günther Wallraff. Der am 1. Oktober 1942 in Burscheid geborene Journalist und Schriftsteller ist vor allem durch seine „BILD-Trilogie“ und das Buch „Ganz unten“ bekannt.
Für letzteres verkleidete sich Wallraff als türkischer Gastarbeiter und arbeitete bei verschiedenen Unternehmen. Dabei macht er die Erfahrung, dass der Umgangston teilweise rau war und die Arbeitsschutzregeln nicht immer eingehalten wurden.
Er beklagte den Umgang mit türkischen Gastarbeitern. Das Buch wurde in Deutschland über fünf Millionen Mal verkauft und gilt als ein Paradebeispiel, wie in Deutschland investigativer Journalismus praktiziert wurde.
Auch bei der BILD-Zeitung arbeitete Wallraff unter falschen Namen und war drei Monate in einer BILD-Redaktion in Hannover angestellt. Zu diesem Thema veröffentlichte er im Anschluss einige Bücher, die große Missstände bei der BILD aufdeckten.
In Folge der Veröffentlichung kam es zum Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien. Wallraff musste daraufhin einige Passagen aus den Büchern, in denen er den Inhalt von Redaktionskonferenzen wörtlich zitierte, anpassen.
Welcher Organisation kann ich denn den investigativen Journalismus übertrauen? Einem ping-pong zwischen Amnesty International und BILD fehlt in Deutschland schlicht das Netz.
Hallo. Ich hätte eine Geschichte zum Investigieren. Falls Sie interessiert sind können Sie mich kontaktieren. MfG
Hinweis auf Rechtschreibkorrektur ;-)
Wozu dient der I(n)vestigativjournalismus?
MfG
Hallo Torsten R.,
vielen Dank für den Hinweis. Der Artikel wird entsprechend angepasst.
Ihr Team von anwalt.org