Das Rad der Globalisierung dreht sich immer schneller: War es in früheren Zeiten noch normal, dass ein Großteil unseres Bedarfes in der Heimatregion produziert wurde, so findet sich heutzutage in unseren vier Wänden die halbe Welt wieder.
Kaffee aus Kolumbien, Jeans aus Bangladesch und das Smartphone aus China sind nur einzelne Beispiele, die verdeutlichen, wie stark die Länder dieser Erde wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Doch wer bestimmt, welche Güter die einzelnen Staaten im- und exportieren können und ob Unternehmen im Ausland investieren dürfen?
Dieser Ratgeber klärt Sie über europäisches und internationales Wirtschaftsrecht auf und erläutert die Grundzüge von Schiedsgerichtsverfahren zur Beilegung von Konflikten.
Inhalt
FAQ: Internationales Wirtschaftsrecht
Das internationale Wirtschaftsrecht schafft die Rahmenbedingungen für den Handel von Waren und Gütern über die Landesgrenzen hinaus. Welche Aspekte das Recht umfasst, lesen Sie hier.
Das transnationale Recht regelt Beziehungen zwischen Unternehmen, welche nicht im selben Land ansässig sind. Dieses können dann wählen, auf welcher rechtlichen Grundlage sie den Vertrag miteinander abschließen.
Kommt es zu einem Konflikt zwischen zwei Handelspartnern, so kann dieser vor dem internationalen Schiedsgericht handeln. Hier lesen Sie mehr darüber.
Was umfasst das internationale Wirtschaftsrecht?
Hinter dem Begriff „internationales Wirtschaftsrecht“ verbergen sich eine ganze Reihe von Gesetzen und Verträgen. Dies sind die wichtigsten Aspekte des internationalen Wirtschaftsrechts:
- Nationales und europäisches Außenwirtschaftsrecht
- Wirtschaftsvölkerrecht
- Transnationales Recht
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Nationales und europäisches Außenwirtschaftsrecht
Nationales Außenwirtschaftsrecht gehört zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, welches Gesetze umfasst, mit denen der Staat die Wirtschaft in seinem Territorium reguliert.
Das Außenwirtschaftsrecht umfasst alle Regeln, welche die Ein- und Ausfuhr von Gütern betreffen, aber auch Investitionen von ausländischem Kapital.
Allerdings greifen heutzutage nationales und europäisches Wirtschaftsrecht eng ineinander, was auch bei den Außenwirtschaftsbeziehungen der Fall ist. Mit der Zollunion, welche Teil der Europäischen Union ist, wurden EU-weit einheitliche Ein- und Ausfuhrbestimmungen geschaffen. Wenn Unternehmen aus einem bestimmten Staat Güter in die Europäische Union exportieren wollen, so erwarten sie bei jedem Mitgliedsstaat – von Irland bis Zypern – dieselben Einfuhrbestimmungen.
Die Regeln des deutschen Außenwirtschaftsrechts stehen im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) geschrieben. Durchgesetzt werden sie zum großen Teil vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Das Außenwirtschaftsrecht der EU ist in den Artikeln 206 und 207 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert und wird durch zahlreiche Verordnungen genauer ausgeführt. Diese Regulierungen werden von der Europäischen Kommission durchgesetzt.
Egal, ob auf deutscher oder europäischer Ebene: Das Ziel außenwirtschaftspolitischer Regeln ist es, die Interessen der nationalen beziehungsweise europäischen Wirtschaft zu wahren. Dazu schränken diese beispielsweise den Import von Gütern ein, wenn sie befürchten, dass diese Produkte eine zu starke Konkurrenz für die einheimische Produktion darstellen.
Folgende Instrumente können im Außenwirtschaftsrecht eingesetzt werden:
- Zölle sind finanzielle Abgaben, die beim Import bestimmter Güter geleistet werden müssen und deren Import unattraktiver machen. Sie werden auch als „tarifäre Handelshemmnisse“ bezeichnet und von den „nicht-tarifären Hemmnissen“ abgegrenzt. Die EU setzte beispielsweise Zölle für günstige Solarmodule aus China fest, die als Bedrohung der eigenen Solarzellenproduktion angesehen wurden.
- Für manchen Güter gelten sogenannte Einfuhrkontingente (auch: Importquoten), welche die maximale Menge eines Gutes festsetzen, die in einem bestimmten Zeitraum importiert werden darf.
- Importverbote sollen verhindern, dass bestimmte Güter ein- oder ausgeführt werden, welche bestimmten Standards widersprechen oder Risiken mit sich bringen. So ist es nicht möglich, Tiere oder Tierprodukte in die EU einzuführen, welche den Hygienestandards nicht genügen. Andererseits müssen auch manche Maschinen wie Automobile bestimmten Vorschriften entsprechen, wenn sie auf einen ausländischen Markt importiert werden sollen.
- Manche Güter erfordern eine Import- oder Exportgenehmigung, welche von Fall zu Fall eingeholt werden muss. Dies betrifft beispielsweise Waffen, über deren Ausfuhr der Bundessicherheitsrat in geheimen Sitzungen entscheidet.
Wirtschaftsvölkerrecht
Während das „normale“ Völkerrecht die Beziehungen zwischen Staaten regelt, bezieht sich das Wirtschaftsvölkerrecht auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen diesen Ländern. Dabei schließen zwei oder auch mehr Staaten Verträge miteinander, in denen sie neue Regeln für den wirtschaftlichen Austausch verbindlich festlegen, wie beispielsweise Freihandelsabkommen.
Als internationales Wirtschaftsrecht beinhaltet das Wirtschaftsvölkerrecht unterschiedliche Arten von Verträgen, welche sich zunächst nach Zahl der beteiligten Staaten unterscheiden lassen:
- Bilaterale Verträge werden von zwei Parteien unterzeichnet, also meist zwei Staaten, aber auch zwei Staatenbunden. Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist ebenfalls bilateral, da nicht die einzelnen europäischen Staaten, sondern die Europäische Union das Abkommen mit den USA unterzeichnen soll.
- Multilaterale Verträge umfassen mindestens drei Parteien. Neben der Welthandelsorganisation (WTO) mit ihren mittlerweile 162 Mitgliedern lässt sich auch die Europäische Union als multilaterales Abkommen ansehen.
Daneben lassen sich die verschiedenen Inhalte dieser Verträge unterscheiden:
- Das Ziel von Abkommen zur Zollsenkung ist es, tarifäre Handelshemmnisse abzubauen, was oft in mehreren Stufen und Verhandlungsrunden geschieht. Die größten Abkommen dieser Art sind diejenigen, welche im Rahmen der WTO geschlossen wurden.
- Internationales Wirtschaftsrecht ist wesentlich geprägt durch Freihandelsabkommen, welche die komplette Abschaffung von Handelshemmnissen für alle Güter zum Ziel haben. Neben dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) ist auch das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) ein Beispiel für eine Freihandelszone.
- Die Zollunion geht über eine Freihandelszone hinaus und schreibt allen Mitgliedern gleiche Handelsbarrieren gegenüber Drittstaaten vor. Nicht nur die Europäische Union, sondern auch die Eurasische Wirtschaftsunion von Russland mit ein paar seiner Nachbarstaaten sind Beispiele für so eine Zollunion.
- Mit einem Investitionsschutzabkommen verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten dazu, Investitionen von Unternehmen aus anderen Unterzeichnerstaaten rechtlich zu schützen. Gegenwärtig ist das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP das bekannteste und zugleich umstrittenste Beispiel für so ein Abkommen, aber auch CETA sieht einen solchen Investitionsschutz vor.
- Ein Binnenmarkt stellt die höchste Form von wirtschaftlicher Integration dar. In so einem Binnenmarkt dürfen nicht nur materielle Güter und Dienstleistungen ohne Einschränkungen gehandelt werden. Auch für grenzüberschreitende Direktinvestitionen und die Wanderung von Arbeitnehmern gibt es keine Barrieren mehr.
Die Europäische Union ist seit dem Vertrag von Maastricht von 1993 ein solcher Binnenmarkt, in dem Unternehmen ohne Einschränkungen grenzüberschreitend investieren können und Arbeitnehmer auch in anderen EU-Staaten arbeiten dürfen.
Im Zusammenhang mit ausländischen Aktivitäten von Unternehmen wird häufig der Begriff „internationales Unternehmensrecht“ verwendet. Dabei handelt es jedoch nicht um Wirtschaftsrecht im Sinne von internationalen Beziehungen, sondern um das unternehmensrelevante Recht, welches auf ausländischen Märkten herrscht. Ein Unternehmen, welches im Ausland Geschäfte machen will, muss sich natürlich auch mit diesem auseinandersetzen.
Transnationales Recht
Internationales Wirtschaftsrecht beinhaltet noch eine weitere, dritte Form. Während die bisher vorgestellten Gesetze die Beziehungen zwischen Staaten betreffen, ist das transnationale Recht eine Art Privatrecht, welches die Beziehungen zwischen Unternehmen regelt, die in diesem Fall allerdings Grenzen überschreiten.
Schließen zwei deutsche Unternehmen einen Vertrag ab, so muss dieser den Prinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) folgen.
Wenn aber zwei Unternehmen aus verschiedenen Ländern einen Vertrag abschließen, dann dürfen sie frei wählen, auf welcher rechtlichen Grundlage dieser Vertrag stehen soll.
Gehen beispielsweise ein deutsches und ein britisches Unternehmen eine Geschäftsbeziehung ein, so kann der Vertrag auf Basis des BGB, aber genauso gut auf britischem Recht oder einem ganz anderen Rechtssystem fußen.
Wer wacht über internationales Wirtschaftsrecht?
Wenn ein Vertrag zwischen zwei deutschen Personen oder Unternehmen geschlossen wird und es zum Vertragsbruch kommt, dann wird dieser Konflikt einfach in einem Zivilprozess nach deutschem Recht ausgetragen. Doch was passiert, wenn ein Abkommen aus dem Wirtschaftsvölkerrecht oder ein transnationaler Vertrag zwischen zwei Unternehmen gebrochen wird?
Üblicherweise enthalten solche Verträge aus dem internationalen Wirtschaftsrecht Klauseln zur Konfliktlösung und einen Verweis auf das Gericht, bei dem im Konfliktfall der Prozess geführt wird. Dies können zwar auch nationale Gerichte sein, häufig fällt die Wahl jedoch auf ein internationales Schiedsgericht.
Solche Schiedsgerichte werden deshalb bevorzugt, weil deren Urteile bei grenzüberschreitenden Konflikten als neutraler angesehen werden als die nationaler Gerichte. Wenn Unternehmen gegen Staaten klagen, wie beispielsweise bei Investitionsschutzabkommen, haben sie jedoch noch ein anderes Motiv, den Konflikt vor einem Schiedsgericht auszutragen.
Schiedsverfahren finden nämlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies gibt Unternehmen und ihren Anwälten die Möglichkeit, das Recht in ihrem Sinne auszulegen, ohne dass das Verfahren von außen kontrolliert werden kann.
Wenn Unternehmen in der Vergangenheit gegen Staaten klagten, die gegen ein Freihandels- oder Investitionsschutzabkommen verstoßen haben, hat in der Mehrzahl aller Fälle das Unternehmen den Prozess gewonnen und einen mehr oder weniger hohen Schadensersatz von dem jeweiligen Staat erhalten.
Seit 1958 unterzeichneten insgesamt 156 Staaten das „New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche“, welches diese Länder dazu verpflichtet, Urteile von Schiedsgerichten tatsächlich umzusetzen.
Interessant, dass sich hinter dem Begriff “internationales Wirtschaftsrecht“ sich eine ganze Reihe von Gesetzen und Verträgen verbergen. Auch das Unternehmensrecht befasst sich mit Verträgen. Wer eine Firma gründet, sollte sich damit auskennen.