Erregung öffentlichen Ärgernisses – Wann ist der Tatbestand erfüllt?

Gemäß § 183a StGB wird die Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft.
Gemäß § 183a StGB wird die Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft.

Das deutsche Sexualstrafrecht ist ein breit gefächertes Feld mit einer großen Vielzahl verschiedenster Delikte. Gesetzlich normiert ist es im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (kurz: StGB), welcher die Paragraphen 174 bis 184h umfasst.

Neben der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung, der Zuhälterei und einer Fülle weiterer Delikte, ist dort unter anderem auch der Straftatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses geregelt.

In dem folgenden Artikel soll eben jener Tatbestand und die dabei in Betracht kommenden Handlungen etwas näher durchleuchtet werden. Was verbirgt sich hinter dem Begriff der Erregung öffentlichen Ärgernisses? Welche Strafen drohen einem Täter? Wo ist das Delikt gesetzlich verankert? Und wie grenzt sich ein öffentliches Ärgernis vom Tatbestand des Exhibitionismus (§ 183 StGB) ab? Diesen und weiteren Fragen sind wir im Folgenden für Sie auf den Grund gegangen.

FAQ: Erregung öffentlichen Ärgernisses

Was bedeutet Erregung öffentlichen Ärgernisses?

Hier können Sie nachlesen, wie die Straftat „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ definiert wird.

Wie wird diese Straftat in Deutschland bestraft?

Die Erregung öffentlichen Ärgernisses wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet.

Wie hoch fallen die Strafen in anderen Ländern aus?

Hier erhalten Sie einen Überblick, wie die Straftat in anderen Ländern geahndet wird.

Strafe für die Erregung öffentlichen Ärgernisses

In Deutschland ist der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses gesetzlich geregelt in § 183a StGB.

Bezüglich der Frage, was die Erregung öffentlichen Ärgernisses für eine Strafe nach sich zieht, besagt ein Blick in das Gesetz folgendes: Derjenige, der öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft, sofern die Tat nicht in § 183 StGB mit Strafe bedroht ist. Es handelt sich bei der Tat um ein Vergehen.

Ein Verbrechen ist im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht. Liegt ein Strafrahmen unterhalb dessen, ist hingegen von einem Vergehen die Rede.

Aus dem Strafrahmen des § 183 a StGB lässt sich mithin erkennen, dass es sich bei der Tat keineswegs um ein Bagatelldelikt handelt.

Wird jemand wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt, drohen Kosten oder sogar eine Freiheitsstrafe.
Wird jemand wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt, drohen Kosten oder sogar eine Freiheitsstrafe.

Im Einzelfall gilt es stets zu beurteilen, ob es sich bei der jeweiligen Tat nicht um eine solche handelt, die unter den Tatbestand der „Grob anstößigen und belästigenden Handlung“ (früher: „Grober Unfug“) zu fassen ist. Dies ist geregelt in § 119 des Ordnungswidrigkeitengesetz (kurz: OWiG).

Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich dabei allerdings nicht um eine Straftat, sondern um eine Ordnungswidrigkeit.

Zu erwarten ist hierbei demnach keine Geldstrafe, sondern lediglich eine Geldbuße. Eine Ordnungswidrigkeit bietet gegenüber einer Straftat den Vorteil, dass sie weder im Führungszeugnis noch im Bundeszentralregister eingetragen wird. Insoweit käme ein Täter besser davon, würde man ihm lediglich einen Verstoß gegen § 119 OWiG anlasten.

Vergleich zu anderen Ländern

Ein Blick in die gesetzlichen Regelungen anderer Länder zeigt: Der Strafrahmen ist in Deutschland vergleichsweise hoch angesiedelt. In Österreich beispielsweise werden öffentliche sexuelle Handlungen gemäß § 218 des österreichischen Strafgesetzbuches nur mit bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe bestraft. In der Schweiz hingegen wird die öffentliche sexuelle Handlung einer tätlichen sexuellen Belästigung gleichgesetzt und nach Artikel 198 des Schweizer Strafgesetzbuches lediglich mit einer Geldbuße geahndet.

Welche Tathandlung sieht die Norm § 183 a StGB vor?

Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses sieht als Tathandlung vor, dass der Täter öffentlich eine sexuelle Handlung vornimmt. Dadurch wiederum muss er ein Ärgernis erregen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn sich mindestens ein Beobachter oder aber mehrere Personen aufgrund der Handlung ernstlich verletzt fühlen. Hierbei kommt es aber auf die jeweiligen individuellen Umstände des Einzelfalles an. Es lässt sich somit nur schwer eine pauschale Aussage darüber machen, wann dies der Fall ist.

Zudem muss die Handlung öffentlich stattfinden, sprich es reicht nicht aus, wenn sie sich innerhalb eines geschlossenen Personenkreises ereignet, wie dies beispielsweise an einem FKK Strand der Fall wäre.

Nach dem StGB sind Exhibitionismus und die Erregung öffentlichen Ärgernisses Straftatbestände.
Nach dem StGB sind Exhibitionismus und die Erregung öffentlichen Ärgernisses Straftatbestände.

Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses setzt ferner eine subjektive Komponente voraus, sprich: Der Täter muss mit Vorsatz gehandelt haben. Vorsatz definiert sich wiederum als das Wissen und Wollen der Verwirklichung eines Straftatbestandes.

Der Vorsatz des Täters muss sich unter anderem auch darauf beziehen, dass durch die Handlung auch ein Ärgernis erregt wird. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Täter davon ausging, beobachtet zu werden, wobei auch an dieser Stelle wieder die individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalles von Relevanz sind.

Nicht ausreichend ist es hingegen, dass der Täter es bloß billigend in Kauf nahm, eine andere Person durch die Vornahme der sexuellen Handlung verärgert zu haben. Zudem ist der Tatbestand nicht erfüllt, wenn der Täter Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, um nicht entdeckt zu werden.

Insbesondere in diesem Punkt setzt in der Praxis oftmals die Strafverteidigung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens an. Denn nachweisen muss dies die Staatsanwaltschaft.

Was genau versteht man unter einer sexuellen Handlung?

Der Begriff der sexuellen Handlung (früher Unzucht), ist im StGB selbst nicht klar definiert. Er sorgt mithin immer wieder für Diskussionen und lässt Raum für verschiedene Ansatzpunkte. In der Rechtspraxis hat sich jedoch folgendes heraus kristallisiert:

Der Begriff „sexuell“

Als sexuell wird eine Handlung dann bezeichnet, wenn sie unmittelbar das Geschlechtliche im Menschen betrifft. Dabei muss jedoch die Handlung entweder unter dem Einsatz des eigenen Körpers oder aber eines fremden Körpers verübt werden. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik, die beispielsweise das Anfertigen pornografischer Bilder von Kindern als eine gesonderte Tathandlung ansieht und diese mithin nicht unter den Begriff „sexuelle Handlung“ zu subsumieren ist.

Des Weiteren erfordert der Begriff „sexuell“, dass dies auch nach objektiven Maßstäben so zu beurteilen ist, sprich die Handlung kann nur dann als sexuell qualifiziert werden, wenn das äußere Erscheinungsbild der Vorganges den sexuellen Charakter auch eindeutig erkennen lässt. Die subjektive Selbsteinschätzung des jeweiligen Täters ist demnach hier nicht von entscheidungserheblicher Relevanz.

Begriff „Handlung“

Der Begriff der Handlung hingegen ist sehr weit zu fassen. Als eine Handlung kann man sowohl ein aktives Tun als auch ein Unterlassen sehen.

Das Merkmal „Erheblichkeit“

Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses ist im StGB in Paragraph 183 a geregelt.
Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses ist im StGB in Paragraph 183 a geregelt.

Ferner muss es sich um eine sexuelle Handlung von gewisser Erheblichkeit handeln. Darunter fallen beispielsweise Entblößungen, die noch nicht vom Straftatbestand des Exhibitionismus im Sinne des § 183 StGB erfasst sind.

Ein Beispiel für eine körperliche Entblößung, die nicht von § 183 StGB erfasst ist, wäre somit eine solche, mit der der Ausziehende keine sexuelle Erregung erreichen möchte.

Die Handlung erfordert aber hinsichtlich des Merkmals der Erheblichkeit, dass sie das Potential hat, ein Ärgernis bei mindestens einer anderen Person auszulösen. Dazu reicht es allerdings nicht aus, dass die Handlung lediglich dazu geeignet ist, ein Ärgernis auszulösen, sondern sie muss auch im konkreten Einzelfall tatsächlich dazu führen, dass sich die andere Person bzw. die anderen Personen ernstlich verletzt fühlen.

Bloßes Interesse, Freude oder Neugierde hingegen reichen nicht aus und erfüllen mithin nicht den Tatbestand einer Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Entscheidend ist, dass eine gewisse Erheblichkeitsgrenze überschritten wurde. Dies ist zum Beispiel beim bloßen Nacktbaden noch nicht der Fall, ebenso wenig wie beim sogenannten „Flitzer“, der beispielsweise nackt über ein Fußballfeld rennt.

Welches Rechtsgut wird von der Norm § 183a StGB geschützt?

Das Rechtsgut, welches vom Straftatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses geschützt wird, ist wie bei zahlreichen anderen Delikten im Bereich des Sexualstrafrechts das der sexuellen Selbstbestimmung.

Was sagt die Statistik?

Statistiken zufolge kam es in den letzten Jahren in Deutschland zu rund 7.000 bis 8.000 polizeilich erfassten Fällen von Erregung öffentlichen Ärgernisses. Für das Jahr 2015 ergab sich eine Zahl von 7.558 Fällen, in denen der Tatbestand zur Anzeige gebracht wurde.

Da es in nahezu jedem Bereich an Delikten vorkommt, dass Taten nicht zur Anzeige gebracht werden, liegt die Dunkelziffer in der Regel etwas höher. Dieser Umstand sorgt jedenfalls dafür, dass verlässliche Aussagen über die Häufigkeit der jeweiligen Tatbestände nur schwer möglich sind.

Fazit

Bei der Erregung öffentlichen Ärgernisses handelt es sich keineswegs um ein Bagatelldelikt. Hier drohen empfindliche Strafen.
Bei der Erregung öffentlichen Ärgernisses handelt es sich keineswegs um ein Bagatelldelikt. Hier drohen empfindliche Strafen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei dem Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernis keineswegs um ein Delikt handelt, welches in den Bereich der Bagatellstraftaten fällt. Hier drohen empfindliche Strafen.

An der Höhe des Strafrahmens wird deutlich, dass in Deutschland das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung in der Werteskala recht weit oben angesiedelt ist.

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Über den Autor

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Jennifer A.

Jennifer studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth. Seit 2018 ist sie fester Bestandteil des Redaktionsteams von anwalt.org. Sie nutzt ihr breites Wissen über das deutsche Rechtssystem seither für die Erstellung gut verständlicher Texte in Bereichen wie dem Asylrecht, Steuerrecht und Verbraucherrecht.

Bildnachweise

4 Gedanken zu „Erregung öffentlichen Ärgernisses – Wann ist der Tatbestand erfüllt?

  1. Andreas P

    Sich in der Öffentlichkeit mehr oder weniger nackt zu präsentieren ist keine Straftat. Offentliche Nacktheit wird erst dann zur Ordnungswidrigkeit, wenn beispielsweise an genanntem Tag zu genanntem Ort offentliche Nacktheit durch das zuständige Ordnungsamt rechtzeitig verboten wurde. Beispiel: Zum „World Naked Bike Ride“ (WNBR) in Köln am 02. Juli 2020 ist durch das Kölner Ordnungsamt den Teilnehmern untersagt worden, sich in der Öffentlichkeit nackt zu präsentieren. Wer dort trotzdem jetzt noch nackt teilnimmt, der begeht eine Ordnungswidrigkeit und würde durch die Polizei sofort aus dem Verkehr gezogen – oder mindestens aufgefordert, sich sofort ausreichend zu bekleiden.

    Ansonsten ist öffentliche Nacktheit in Deutschland grundsätzlich erst einmal nirgendwo verboten. Wenn man allerdings nackt durch die Gegend spaziert und es kommt die Polizei oder das Ordnungsamt und erklärt, dass „heute hier und jetzt“ öffentliche Nacktheit eine Ordnungswidrigkeit ist, dann muss man die Gelegenheit haben, diesen Ort „hier und jetzt“ auch zu verlassen. Dann dürfte auch kein Bußgeld erhoben werden, weil man im Voraus ja nicht wissen konnte, dass dort, wo man nackt unterwegs ist, als Nächstes öffentliche Nacktheit zur Ordnungswidrigkeit erklärt wird. Wenn man allerdings dann, wo jetzt öffentliche Nacktheit zur Ordnungswidrigkeit erklärt wurde, keine Einsicht gegenüber den einschreitenden Beamten zeigt und stattdessen erklärt, „nein, das sehe ich nicht ein, ich will hier und jetzt weiterhin nackt durch die Gegend gehen, weil mir das so gut gefällt“, DANN macht man sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig! Und muss mit Zwangsmaßnahmen rechnen.

  2. Phillip

    Angenommen ich bedecke gerade eben meine Geschlechtsteile ( Stringtanga etc.) darf ich nur so bekleidet durch die Stadt laufen (da es ja zum Beispiel sehr warm ist und man sich so einfach wohl fühlt)?
    Und macht es einen Unterschied ob man ein Mann oder eine Frau ist?

  3. Olaf R.

    Angenommen, jemand befindet sich an einer naturgegebenen Badestelle (kein offizielles Schwimmbad) und möchte einfach nur nackt baden oder sonnenbaden, ohne einem anderen in irgend einer Weise sexuell zu nahe treten, ohne sich sexuell zu präsentieren oder ein öffentliches Ärgernis erregen zu wollen. Es geht ihm lediglich um möglichst nahtlose Bräune und einfach hüllenlos mal schimmen zu gehen, mehr nicht.

    Wie ist in diesem Fall die Rechtslage? Macht sich der betreffende Nackedei automatisch (also selbst unbeabsichtigt) strafbar, bloß weil in prüder Mitmensch sich von der Freizügigkeit dieses Nackedeis unangenehm berührt fühlt, und/oder glaubt, es hätte möglicherweise einen negativen Einfluß auf die Sexualentwicklung seiner Kinder?

    Ist dieser Nackedei in seiner unverfänglichen Absicht, einfach nur nahtlose Bräune tanken oder hüllenlos baden zu wollen, rechtlich in irgendeiner Weise geschützt oder automatisch „Freiwild“ und der jeweiligen (mehr oder weniger toleranten) Interpretation seiner Umwelt ausgeliefert? Auch wenn unverfängliches nackt baden (oder sonnen) absolut nichts mit Sex zu tun hat, frage ich mich, ob dies nicht schon allein durch das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung gesichert wäre?

    Abschließend und zusammenfassend daher folgende Frage:
    In wie weit steht das Gesetz auf seiten dieser völlig harmlosen
    „Ganzkörper-Sonnenanbeter“ ?

    Mit freundlichen Grüßen Olaf r.

    1. anwalt.org

      Hallo Olaf R.,

      wie im Ratgeber beschrieben, muss beim Nacktbaden nicht unbedingt die notwendige Erheblichkeitsgrenze überschritten worden sein. Allerdings kann das pauschal nicht immer festgelegt werden. Im Zweifel sollten Sie sich beim Ordnungsamt, bei einer Polizeidiensstelle oder bei einem Anwalt ausführlich informieren. Eine rechtliche Einschätzung und Beratung dürfen wir nicht anbieten.

      Ihr Team von anwalt.org

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