FAQ: Das Dubliner Abkommen
Das Dublin-Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der regelt, welcher Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Es wird seit 2013 in angepasster Form als Dublin III in den EU-Mitgliedsstaaten sowie in der Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen angewendet und soll sicherstellen, dass für jeden Asylbewerber nur ein einziges Asylverfahren im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum stattfindet. Welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, wird nach einem klaren Regelkatalog entscheiden. Hier können Sie die Kriterien nachlesen.
Formal gesehen ist das Dublin-Abkommen weiterhin gültig. Es wird mittlerweile jedoch von europäischem Recht überlagert: 2003 trat das Dublin II-, 2013 schließlich das Dublin III-Abkommen in Kraft. Das ursprüngliche Dublin-Abkommen ist dadurch ausgesetzt.
Die Schweiz ist kein Teil des ursprünglichen Dublin-Abkommens, ist den europäischen Bestimmungen jedoch über Dublin III beigetreten. Dadurch gelten für Personen, die in der Schweiz Asyl beantragen, dieselben Prüfkriterien und Ausnahmen wie in den umliegenden EU-Staaten.
Inhalt
Was ist das Dublin-Abkommen?
Das Abkommen von Dublin ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 1. September 1997 in Kraft trat. Das ursprüngliche Abkommen wurde zwischen Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, der Niederlande, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich geschlossen. Bis zum Jahr 2005 traten außerdem Schweden, Österreich, Finnland und Tschechien dem Dubliner Übereinkommen bei.
Im Dublin-Abkommen ist geregelt, wie festgestellt wird, welcher der teilnehmenden Staaten für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist. Dadurch soll einerseits jedem Bewerber die Durchführung eines Asylverfahrens garantiert werden und andererseits verhindert werden, dass ein Asylbewerber durch Migration innerhalb der Mitgliedsstaaten mehrere Anträge gleichzeitig stellen kann. Im Jahr 2003 wurde die Dublin II-Verordnung verabschiedet, 2013 schließlich Dublin III:
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
Verordnung (EU) Nr. 604/2013, Kapitel II, Artikel 3
Das Dublin III-Abkommen gilt für Länder der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz und ist Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), das sich aus mehreren Verordnungen zusammensetzt:
- Asylverfahrensrichtlinie: Richtlinie über gemeinsame Verfahren für die Zu- und Aberkennung des internationalen Schutzes
- Anerkennungsrichtlinie: Regelungen für die Anerkennung von Drittstaats-Angehörigen und Staatenlosen
- Richtlinie über Aufnahmebedingungen: Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen
- Dublin III: Verordnung über die Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist
- Eurodac: Beschluss über eine EU-weite Datenbank für Asylbewerber
Insbesondere das Dublin-Abkommen wird oft als Ergänzung zum Schengen-Abkommen gesehen: Durch das Schengen-Abkommen entfallen die systemischen Kontrollen an den Binnengrenzen der 27 teilnehmenden Staaten. Neben EU-Mitgliedsländern gehören ihm auch Norwegen, Liechtenstein, die Schweiz und Island dazu. Ausgenommen sind die außereuropäischen Hoheitsgebiete von Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Dänemark. Das Dublin-Abkommen soll in Ergänzung des Schengen-Abkommens die Binnenmigration von Asylbewerbern regulieren.
Wie funktioniert die Anwendung vom Dublin-Abkommen?
Das Dublin-Abkommen teilt Flüchtlinge verbindlich einem Mitgliedsstaat zu, der im Anschluss für die weitere Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Bei der Bestimmung der Zuständigkeit wird anhand verschiedener Prüfungskriterien vorgegangen:
- Unbegleitete Kinder und Jugendliche: Flüchtlinge unter 18 Jahren, die alleine einreisen oder zurückgelassen wurden, gelten als unbegleitet. Falls sich bereits Familienangehörige in einem Mitgliedsstaat befinden, ist dieser für das Verfahren des Minderjährigen zuständig. Andernfalls liegt die Zuständigkeit automatisch beim Staat, in dem sich der Minderjährige aktuell aufhält.
- Angehörige: Wenn sich Familienangehörige eines Asylbewerbers bereits in einem EWR-Land befinden und ihnen entweder Schutz gewährt oder ihr Asylantrag aktuell geprüft wird, ist dieser Staat auch für die Prüfung des weiteren Antrags zuständig, sofern der Asylbewerber dies möchte.
- Legale Einreise: Wenn eine Person mit einem ausgestellten Visum oder einem anderen rechtmäßigen Aufenthaltstitel einreist und im Anschluss an die Einreise Antrag auf Asyl stellt, ist der Staat zuständig, der den vorherigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat.
- Legale Einreise ohne Visum: Ist eine Person legal ohne Visum eingereist, fällt die Zuständigkeit an den Staat, in den der Bewerber eingereist ist.
- Illegale Einreise: Wenn ein Flüchtling ohne Erlaubnis einreist, ist der jeweilige Staat zuständig, dessen Hoheitsgebiet zuerst betreten wurde. Diese Zuständigkeit kann auch entstehen, wenn sobald ein Flüchtling sich fünf Monate in einem Mitgliedsstaat aufgehalten hat, auch, wenn es sich dabei nicht um den ursprünglichen Staat der Einreise handelt.
- Transit: Falls ein Flüchtling im Transitbereich eines Flughafens einen Antrag stellt, ist der jeweilige Mitgliedsstaat für die Prüfung zuständig.
Wenn es anhand dieser Kriterien nicht möglich sein sollte, den zuständigen Mitgliedsstaat zu ermitteln, fällt die Zuständigkeit an den Staat, in dem zum ersten Mal ein Asylantrag gestellt wird.
Diese Ausnahmefälle kennt das Dublin-Abkommen
In Ausnahmefällen kann das Asylverfahren auch in einem Staat stattfinden, der nach den Prüfungskriterien nicht zuständig wäre. Dies kann aus folgenden Gründen der Fall sein:
- Ablauf der Frist: Das Abkommen von Dublin, also das Verfahren zur Ermittlung der Zuständigkeit, ist nicht mit dem eigentlichen Asylverfahren gleichzusetzen. Solange die Zuständigkeit nicht ermittelt ist, kann die Behörde den Asylantrag nicht bearbeiten. Daher müssen Staaten bei der Ermittlung Fristen einhalten. Lässt ein Staat im Rahmen des Dublin-Verfahrens eine Frist verstreichen, wird er daher automatisch für die Prüfung des Asylantrags zuständig.
- Humanitäre Gründe: Wenn der Antragsteller auf besondere Unterstützung angewiesen ist, beispielsweise durch schwere Krankheit, Schwangerschaft, ein neugeborenes Kind oder hohes Alter, kann die Behörde aus Rücksichtnahme die Zuständigkeit verlagern.
- Systemische Mängel: Wenn es Mängel im Aufnahmeverfahren gibt und die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung besteht, können die Regelungen zur Zuständigkeit außer Kraft gesetzt sein.
- Selbsteintrittsrecht: Jeder Mitgliedsstaat hat die Möglichkeit, unabhängig von sonstigen Prüfungskriterien selbst seine Zuständigkeit zu erklären.
So läuft das Dublin-Verfahren in Deutschland ab
In Deutschland ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, für die Überprüfung der Zuständigkeit verantwortlich. Nachdem eine Person einen Asylantrag in einer entsprechenden Außenstelle oder einem Ankunftszentrum gestellt hat, findet zunächst ein persönliches Gespräch statt. Hier tragen Mitarbeiter Informationen für die anschließende Prüfung zusammen und informieren auch den Antragsteller selbst über das Dublin-Verfahren und den weiteren Verlauf der Prüfung.
Falls das Bundesamt Anhaltspunkte findet, die die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates vermuten lassen, gibt es den Antrag zur weiteren Prüfung an das zuständige Dublinzentrum weiter. Sollte dieses im Anschluss feststellen, dass tatsächlich ein anderer Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, stellt die Behörde ein Übernahmeersuchen an den entsprechenden Staat. Sofern die jeweiligen Behörden dem Ersuchen zustimmen, ordnet das Bundesamt im Anschluss die Abschiebung des Bewerbers in den zuständigen Staat an.
Hat der Asylbewerber Zweifel an der Richtigkeit der Prüfung, hat er die Möglichkeit, gegen die Entscheidung Klage einzureichen und bereits vor Erhebung der Klage eine aufschiebende Wirkung nach § 80 VwGO zu beantragen:
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
§ 80 VwGO, Abs. 5
Durch diesen Antrag wird die Abschiebung aufgeschoben und darf bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nicht durchgeführt werden. Ohne Antrag gilt eine Überstellungsfrist von sechs Monaten (wenn der Antragsteller sich in Haft befindet, verlängert sich diese Frist auf 12, ist er flüchtig, sogar auf 18 Monate). Findet die Abschiebung nicht innerhalb der geltenden Frist statt, fällt die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags automatisch an Deutschland zurück.
Die Klage allein hat keine aufschiebende Wirkung. Den Antrag auf die aufschiebende Wirkung muss der Asylbewerber zusätzlich stellen. Passiert dies nicht, kann auch während des laufenden Verfahrens eine Abschiebung stattfinden.
Dublin-Abkommen: Die Vor- und Nachteile
Das Dublin-Abkommen wird kontrovers diskutiert. So betonen manche Stimmen, wie wichtig eine eindeutige Zuständigkeit im Asylverfahren ist, um zum Einen Sicherheit für die Bewerber zu garantieren und andererseits Mehraufwand für die Mitgliedsstaaten zu vermeiden. Andere bemängeln jedoch, dass durch die Dublin-Vereinbarungen die Verantwortung unter den Mitgliedsstaaten nicht gleich verteilt ist und EU-Randstaaten dadurch zu immer effektiveren Abwehrmaßnahmen angehalten werden, die wiederum ein Risiko für Menschenrechts-Verstöße darstellen.