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FAQ: Erkennungsdienstliche Behandlung
Erkennungsdienstliche Behandlung bedeutet Erfassung personenbezogener Daten in einem Strafverfahren oder zu präventiven Zwecken, um spätere Straftaten besser aufklären zu können. Zu den Klassikern zählen Fingerabdrücke und Fotos des Beschuldigten.
Das ist möglich, aber etwas schwierig, weil solche Maßnahmen auch mithilfe von unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden können. Es empfiehlt sich daher, bei Anordnung einer ED-Maßnahme umgehend einen Rechtsanwalt für Strafrecht zu konsultieren. Dieser kann ggf. das passende Rechtsmittel hiergegen einleiten.
Nach § 16 Asylgesetz (AsylG) dürfen von einem Ausländer, der Asyl sucht, Lichtbilder und Fingerabdrücke aller zehn Finger genommen werden. Ist die Person unter 6 Jahren, sind nur Fotos erlaubt. Auch das Auslesen bereits gespeicherter biometrischer Daten (z. B. aus dem Pass) ist gemäß Asylrecht zulässig. Diese Daten werden an das Bundeskriminalamt weitergegeben und sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene mit vorhandenen Daten abgeglichen.
Um Straftaten aufklären zu können, muss die Polizei entsprechende Ermittlungsmaßnahmen ergreifen können. Gerade Informationen zur Identität des vermeintlichen Täters bzw. Beschuldigten sind hierfür von wesentlicher Bedeutung. Deshalb darf sie z. B. Fingerabdrücke eines Verdächtigen nehmen und Fotos von ihm anfertigen und andere erkennungsdienstliche Maßnahmen ergreifen.
Jede dieser Maßnahmen greift aber sehr stark in die Grundrechte des Betroffenen ein. Deswegen knüpft der Gesetzgeber jede erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei in der Strafprozessordnung (StPO) an sehr strenge Voraussetzungen.
Was ist eine erkennungsdienstliche Behandlung im Sinne von § 81b StPO?
Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um Identifizierungsmaßnahmen. Jeder kennt sie grob aus Krimis und Detektivromanen. Am Tatort werden Fingerabdrücke gefunden, ein Zeuge liefert eine Täterbeschreibung. Um diese Informationen dem Täter zuordnen zu können, müssen sie mit entsprechenden Daten der Verdächtigen abgeglichen werden. Also braucht die Polizei Fingerabdrücke und Lichtbilder des Beschuldigten.
Daher bestimmt § 81b Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO):
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigte auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
Erlaubte Maßnahmen laut StPO
Der Wortlaut des § 81b StPO macht deutlich, dass die erkennungsdienstliche Behandlung (auch: ED-Behandlung) sehr weitreichend sein kann und z. B. folgende Mittel umfasst:
- Fingerabdrücke
- Handflächenabdrücke
- Fotografien des Beschuldigten
- Ermittlung äußerer körperlicher Merkmale wie Narben und Tattoos
Die Entnahme von Blutproben, die Anfertigung von Röntgenaufnahmen und andere körperliche Untersuchungen sind der Polizei hingegen nicht erlaubt. Sie müssen nach § 81a StPO in der Regel von einem Richter angeordnet werden.
Auch die folgenden Maßnahmen fallen nicht unter die erkennungsdienstliche Behandlung:
- Messung von Puls- und Atembewegungen
- Speicherung besonderer sozialer Verhaltensstrukturen des Betroffenen
- Sprachproben, um phonetische oder logopädische Besonderheiten festzustellen
Der Polizei ist es aber erlaubt, das äußere Erscheinungsbild des Beschuldigten zu verändern – gegebenenfalls auch zwangsweise. Sie dürfen beispielsweise Schminke oder eine Perücke entfernen oder dem Betroffenen eine solche aufsetzen.
ED-Behandlung außerhalb eines Ermittlungsverfahrens
Eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolgt nicht nur im Strafverfahren. Sie kann auch aus präventiven Zwecken erfolgen. Darauf deutet der Passus „oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist“ in § 81b Abs. 1 StPO hin.
Diese Maßnahmen sind auch in den Polizeigesetzen der Bundesländer geregelt. Sie sollen es den Ermittlungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) erleichtern, zukünftige Straftaten aufzuklären.
ED-Maßnahmen sind in diesem Bereich aber nur erlaubt, wenn …
- Wiederholungsgefahr besteht und
- die Polizei begründen kann, dass und warum aufgrund der Art und Schwere der bisherigen Taten ein besonderes Interesse an der erkennungsdienstlichen Behandlung besteht.
Derartige ED-Behandlungen kommen zum Beispiel bei Gewohnheitstätern und im Bereich der organisierten Kriminalität in Betracht.
Erkennungsdienstliche Behandlung – unter welchen Voraussetzungen ist sie zulässig?
Eine Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen eine Straftat vorgeworfen wird. Denn § 81b StPO spricht ausdrücklich vom Beschuldigten.
Nur gegen diesen ist eine ED-Behandlung nach der StPO zulässig. Konkret heißt das, dass tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht einer Straftat begründen. Vage Vermutungen reichen hingegen nicht aus. In diesen Fällen ist allenfalls eine Identitätsfeststellung nach § 163b StPO gerechtfertigt.
Die erkennungsdienstliche Behandlung darf nicht willkürlich erfolgen. Im Rahmen eines Strafverfahrens hat sich die Polizei auf diejenigen Maßnahmen zu beschränken, die für die Ermittlungen wirklich notwendig sind.
Rechte und Pflichten des Beschuldigten bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen
Behandlungen nach § 81b StPO greifen sehr stark in die Rechte des Betroffenen ein. Deswegen besteht auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung.
- Gegen gerichtliche Anordnungen (z. B. einer Blutentnahme) steht den Betroffenen die Beschwerde offen.
- Auch Maßnahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind gerichtlich überprüfbar.
- Gegen eine präventive erkennungsdienstliche Behandlung kann Widerspruch bei der anordnenden Polizeibehörde erhoben werden – ggf. verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, wenn die Polizei die sofortige Durchführung angeordnet hat. Auch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht ist möglich – diese kann sich bereits gegen die Aufforderung richten, sich zur ED-Maßnahme bei der Polizei einzufinden.
Im Anschluss an erkennungsdienstliche Behandlung: Daten löschen lassen
Wurde die erkennungsdienstliche Behandlung unrechtmäßig vorgenommen, kann der Betroffene die Vernichtung und Löschung der Daten beantragen und bei Ablehnung ggf. vor dem Verwaltungsgericht klagen.
Die Datenschutzgrundverordnung gilt übrigens nicht für die Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizei. Stattdessen finden die Polizeigesetze Anwendung.
Wenn der Tatverdacht gegen einen Beschuldigten im Ermittlungsverfahren vollständig entfällt, dürfen dessen Daten grundsätzlich nicht mehr gespeichert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verfahren eingestellt wird oder das Strafgericht den Angeklagten freispricht.
Wenn allerdings ein gewisser Restverdacht verbleibt, kann eine Speicherung zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt sein. Voraussetzung hierfür ist es, dass das öffentliche Interesse an der Aufklärung künftiger Straftaten oder deren Verhinderung das Interesse des Verdächtigen an einer zeitnahen Löschung seiner Daten überwiegt. Dabei muss die Polizei nachweisen, dass noch ein Rest an Tatverdacht gegen diesen besteht. So entschied das Landesgericht Aachen in seinem Urteil vom 15. Juni 2009 (Az. 6 K 1979/08).
Im Streitfall können sich die Betroffenen an einen Anwalt wenden, um zu klären, ob die Polizei die durch die erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Daten löschen muss.