Urteil zur Wahlrechtsreform der Bundesregierung: Was sagt das BVerfG?

← Zurück zur News-Übersicht

In seinem Urteil über die Wahlrechtsreform (2 BvF 1/23 -, Rn. 1-293) vom 30.Juli 2024 nimmt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Stellung zum überarbeiteten Bundeswahlgesetz (BWahlG) aus dem Jahr 2023. Die Entscheidung stuft die kompromisslose 5 %-Sperrklausel für Parteien als grundgesetzwidrig ein. Das Zweitstimmendeckungsverfahren gilt hingegen als rechtskonform.

Das Urteil über die Wahlrechtsreform: Was sind die Hintergründe?

Das neue Urteil erklärt die Wahlrechtsreform in Teilen für rechtskonform und in anderen für verfassungswidrig.
Das neue Urteil erklärt die Wahlrechtsreform in Teilen für rechtskonform und in anderen für verfassungswidrig.

Am 17. März 2023 wurde im Bundestag ein verändertes Bundeswahlgesetz verabschiedet, welches am 8. Juni 2023 in Kraft trat. Schnell kamen jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Reform auf, weshalb sowohl die Bayerische Landesregierung als auch mehrere Fraktionen des Bundestages Anträge stellten und um Überprüfung der Rechtmäßigkeit baten – was letztendlich zum kürzlich gefällten BVerfG-Urteil zur Wahlrechtsreform führte.

Mitglieder der Parteien DIE LINKE sowie der CDU und CSU hatten unter anderem die neu eingeführte Zweitstimmendeckung zur gezielten Reduzierung der Abgeordnetenzahl von derzeit 736 auf 630 kritisiert. Nach dieser neuen Regelung erhalten Wahlkreisbewerber in der Reihenfolge ihrer Erststimmenanteile auf der jeweiligen Landesliste nur dann ein Bundestagsmandat, wenn das Zweitstimmenergebnis ihrer Partei ausreichend Sitze garantiert. Das bedeutet, falls die Zahl der Landeslistenplatzierten diese Sitzanzahl übersteigt, erhalten die noch übrigen Kandidaten mit den geringsten Anteilen an Erststimmen keinen Sitz mehr.

Ein weiterer Aspekt, der im Urteil über die Wahlrechtsreform zur Sprache kam, war die 5 %-Sperrklausel. Diese besagt, dass all die Parteien, die bundesweit weniger als 5 % der Zweitstimmen erhalten, grundsätzlich nicht mehr bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden.

Zuvor war es möglich, sich als erstplatzierte Partei in mindestens drei Wahlkreisen auch ohne die nötigen Prozentanteile den Fraktionsstatus zu sichern. Nach dem neuen BWahlG vom 8. Juni 2023 war dies nicht mehr möglich. Der Meinung der Antragsteller nach sei diese Änderung verfassungswidrig.

Welche Punkte enthält das Urteil zur Wahlrechtsreform konkret?

Die zum Teil mangelhafte Gleichbehandlung aller Wählerstimmen ist im Urteil zur Wahlrechtsreform ein zentraler Kritikpunkt des BVerfG.
Die zum Teil mangelhafte Gleichbehandlung aller Wählerstimmen ist im Urteil zur Wahlrechtsreform ein zentraler Kritikpunkt des BVerfG.

Grundsätzlich äußert sich der Zweite Senat des BVerfG in seinem Urteil über die Wahlrechtsreform zu folgenden Kernpunkten:

  • Die Zweitstimmendeckung gemäß § 1 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) verletzt weder Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu den Wahlgrundsätzen noch Art. 21 Abs. 1 zur Chancengleichheit unter den Parteien. Sie gilt damit als verhältnismäßig und verfassungskonform, obwohl nicht alle Bundestagsfraktionen, sondern lediglich die Regierungsparteien dieser Anpassung des Gesetzes zustimmten
  • Die 5 %-Sperrklausel nach § 4 Abs. 2 des BWahlG hingegen verstößt gegen die oben genannten Artikel des GG. Bis eine neue Gesetzesregelung gefunden ist, soll die alte weiterhin gültig sein (d. h. nur wenn Parteien weniger als 3 Wahlkreise gewinnen und unter 5 % der Stimmen erhalten, dürfen sie nicht im Bundestag vertreten sein).

Das BVerG führt als einen der Hauptgründe für die Zweitstimmenentscheidung auf, dass keine Wählerstimmen durch die Neuregelung an Wert verlieren. Die Entscheidung über die 5 %-Regelung stützt das Urteil zur Wahlrechtsreform hingegen auf das gegenteilige Argument. Wenn Parteien die nötige Prozentzahl verfehlen, würden die Stimmen der Parteien mit höheren Zweitstimmenanteilen den anderen gegenüber bevorzugt werden. 

Dies ist bspw. bei der CDU und der CSU der Fall, weil sie in der Regel immer eine gemeinsame Fraktion bilden, die zusammen die 5 %-Hürde übersteigt – selbst wenn letztere Partei sie allein verfehlen sollte. Ohne einen solchen Kooperationspartner wären die Stimmen für DIE LINKE demnach wahlrechtlich gesehen weniger wert als für die CSU (besonders falls die Partei gemäß des alten BWahlG mit mehr als 3 gewonnen Wahlkreisen einen Anspruch auf den Fraktionsstatus hat).

Weitere Ratgeber zum Thema Wahlrecht

Quellen und weiterführende Links

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (47 Bewertungen, Durchschnitt: 4,21 von 5)
Loading ratings...Loading...

Weitere News

Bildnachweise

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert