Staatsschutz – Sicherung der Grundfesten Deutschlands

Der Staatsschutz umfasst alle Belange, in denen ein Täter den Bestand des Staates gefährdet.
Der Staatsschutz umfasst alle Belange, in denen ein Täter den Bestand des Staates gefährdet.

Brennende Asylheime, Bombenanschläge an Bahnhöfen, Hetzjagden von anders Denkenden und homophobe Anfeindungen – solche und ähnliche Taten sind keine dunklen Ammenmärchen, sondern allzu oft bittere Realität.

Wenngleich all diese Delikte auf den ersten Blick – abgesehen von der darin sich wiederspiegelnden menschenverachtenden Brutalität – keinerlei Schnittmengen zu haben scheinen, so eint sie doch eine davon getragene gemeinsame Motivation: Es handelt sich um mehr oder weniger unmittelbare Angriffe gegen den Staat, indem die von diesem propagierten Werte der Gleichheit, Freiheit und Sicherheit erschüttert werden.

2015 wurden rund 39.000 Fälle sogenannter politisch motivierter Kriminalität (PMK) dokumentiert. Im Vergleich zum Vorjahr lag dabei eine Steigerung um knapp 19 % vor. Vor dem Hintergrund dieser zunehmenden verfassungsfeindlichen Strömungen gewinnt der Staatsschutz immer mehr an Bedeutung.

Doch was steckt eigentlich hinter diesem gesellschaftlichen Schlagwort? Auf welche Weise findet Staatsschutz in Deutschland statt und welche Kriminalitätsphänomene werden davon erfasst? Der folgende Ratgeber informiert Sie umfassend über die Funktion des Staatsschutzes sowie die Maßnahmen und Institutionen, die damit in Verbindung stehen.

FAQ: Staatsschutz

Was bedeutet Staatsschutz konkret?

Der Staatsschutz hat die Aufgabe, den Bestand und die Werte der Bundesrepublik Deutschland vor Angriffen von innen und außen zu schützen und fußt auf vier Säulen. Hier lesen Sie, welche das sind.

Welche Aufgaben übernimmt der Staatsschutz in Deutschland?

Welche konkreten Aufgaben der Staatsschutz zur Gefahrenabwehr übernimmt, können Sie hier ausführlich nachlesen.

Welche Rolle spielt das BKA beim Staatsschutz?

Das Bundeskriminalamt stellt den Mittelpunkt des polizeilichen Staatsschutzes dar und ist auch für eine allgemeine Gefahrenbewertung zuständig.

Kein Staatsschutz ohne Staat: Grundsätzliches zur Bundesrepublik Deutschland

„Wir leben in einem freiheitlich demokratischen Staat“ – dieser Leitsatz durchfließt regelmäßig die Gewässer der Politik und wird nicht nur im Wahlkampf immer wieder Argumentations- und Rechtfertigungsgrundlage etwaiger Handlungs- und Verbesserungsvorschläge, sondern auch bei alltäglichen Debatten dieser Sphäre. Immerhin ist die freiheitliche Demokratie Ausfluss der Grundfesten eines jeden Staates, der sich auf Vernunft und Neutralität – in Ablehnung einer religiös oder ideologisch fundierten Herrschaft – gründet. Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt bilden dabei das Grundgerüst einer Gesellschaftsorganisation, die das Gemeinwohl an die erste Stelle setzt.

Für den Staatsschutz basal sind verschiedene Gesetze, allen voran die deutsche Verfassung.
Für den Staatsschutz basal sind verschiedene Gesetze, allen voran die deutsche Verfassung.

Eben dieses Wohl wird durch die Grundrechte des Staatsrechtes garantiert, welche den Anspruch auf Freiheit eines Menschen gegenüber dem Staatsgebilde gesetzlich festschreiben. Schriftlich niedergelegt sind diese Vorschriften in der Verfassung, genauer gesagt in dem deutschen Grundgesetz (GG), welches neben diesen freiheitlichen Grundrechten auch Gesetze zum Staatsorganisationsrecht enthält. Die Verfassung ist also eine Art Bau- und Bedienungsanleitung des Staatsgebildes, die genau bestimmt, in welcher Art und Weise die Staatsgewalt ausgeübt werden darf und wie das Verhältnis zu den Bürgern ausgeprägt sein muss.

Staatsschutz-Glossar – Schlagbegriffe auf einen Blick

GG – Grundgesetz
BfV – Bundesamt für Verfassungsschutz
BKA – Bundeskriminalamt
BKAG – Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten
BMVg – Bundesministerium der Verteidigung
BND – Bundesnachrichtendienst
BVerfSchG – Bundesverfassungsschutzgesetz
KPMD-PMK – Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität
LKA – Landeskriminalamt
NSU – Nationalsozialistischer Untergrund
PKS – Polizeiliche Kriminalstatistik
PKS-S – Polizeiliche Kriminalstatistik – Staatsschutzdelikte
PMK – politisch motivierte Kriminalität
RAF – Rote Armee Fraktion
RZ – Revolutionäre Zellen/Rote Zora

Das Grundgesetz: Der Anker für staatliches Handeln

Die deutsche Verfassung ist die alle anderen Gesetze überlagernde Maxime. Änderungen der darin enthaltenden Vorschriften sind daher nur beschränkt möglich. Unantastbar ist unter anderem die Menschenwürde, die in Artikel 1 fixiert ist. Auch die Grundstruktur Deutschlands gemäß Artikel 20 GG lässt keinerlei Umgestaltungen zu. Daher sind unter anderem folgende Merkmale Wesenskern des deutschen Staates:

  • bundesstaatliche Ordnung
  • Demokratie
  • Gewaltenteilung
  • Sozialstaat
  • Volkssouveränität
  • Widerstandsrecht

Kommt es nun aber zu Verletzungen dieser Prinzipien, wird der Staat in seiner Gesamtheit angegriffen. Ausländerfeindliche Taten beispielsweise stellen zum einen die individuelle Daseinsberechtigung des Betroffenen in Frage, stehen aber zum anderen auch spiegelbildlich für eine Missachtung der staatlich garantierten Menschenwürde. Derart grundlegende Zuwiderhandlungen an dem Staatsvolk haben demnach direkte Auswirkungen auf das Grundgebilde selbst, weshalb es Aufgabe des Staatsschutzes ist, solche Formen der Rechtswidrigkeit zu unterbinden.

Was bedeutet Staatsschutz?

Staatsschutz dient dazu, Bestand, Werte und Sicherheit des Staates zu sichern.
Staatsschutz dient dazu, Bestand, Werte und Sicherheit des Staates zu sichern.

Die Hauptfunktion der Behörden, die dem Staatsschutz dienen, besteht darin, Bestand, Institutionen, Symbole und Werte der Bundesrepublik Deutschland vor zerstörerischen Einwirkungen, also beispielsweise vor bestimmten Delikten des Strafrechts, zu schützen. Dabei gilt es, Bedrohungen, die von innen oder außen auf den Staatskörper einwirken, frühzeitig zu erkennen und effektiv zu bekämpfen.

In Deutschland ist der Staatsschutz Ausdruck eines Vier-Säulen-Systems, welches folgende Elemente in sich vereint:

Säule 1: Verfassungsschutz

Zuständige Behörde zur Kontrolle dieses Bereiches ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), welches mit den Landesämtern für Verfassungsschutz zusammenarbeitet. Auf Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) werden Informationen über links- oder rechtsextreme sowie islamistische oder terroristische Bestrebungen, welche die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Souveränität von Bund und Ländern unterlaufen, gesammelt.

Ebenso wird diese Institution unter der Schirmherrschaft vom Staatsschutz tätig, wenn auswärtige Angelegenheiten durch Gewalthandlungen gefährdet sind oder das friedliche Zusammenleben der Völker gestört werden soll. Zudem wirkt es im Rahmen der Spionagebekämpfung mit und unterstützt den Geheim- und Sabotageschutz.

Die Informationen werden dabei mehrheitlich aus öffentlich zugänglichen Quellen gewonnen, wie etwa Zeitungsartikeln, Programmen, Flugblättern und Ähnlichem.

Säule 2: Bundesnachrichtendienst (BND)

Hierbei handelt es sich um den deutschen Geheimdienst, der als Instrument vom Staatsschutz belastbare Informationen bereitstellt. Insbesondere stehen dabei geplante staatlich relevante Straftaten, militärische Aspekte sowie wirtschaftlich oder technische Errungenschaften im Mittelpunkt.

Säule 3: Militärischer Abschirmdienst (MAD)

Dieser deutsche Nachrichtendienst auf Bundesebene unterstützt das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg), bei Belangen, die den Staatsschutz betreffen. Der MAD wird in diesem Rahmen als Verfassungsschutzbehörde tätig und dient dem Erhalt der militärischen Sicherheitsfunktion sowie der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.

Säule 4: Polizeilicher Staatsschutz

Während die ersten drei Säulen von Nachrichtendiensten besetzt werden, die vornehmlich Informationen einholen und überprüfen, um PMK im Vorhinein zu verhindern, ist sogenannter polizeilicher Staatsschutz immer dann gefragt, wenn derartige Delikte aktiv bekämpft werden sollen.

Es handelt sich hierbei demnach um eine reaktive Form vom Staatsschutz, wohingegen die anderen Säulen eher einen präventiven Ansatz verfolgen.
Neben den Nachrichtendiensten ist die Polizei ein wesentliches Instrument vom Staatsschutz.
Neben den Nachrichtendiensten ist die Polizei ein wesentliches Instrument vom Staatsschutz.

positive Kategorisierung als staatlich relevante Tat

Zuständig sind in diesem Falle die jeweils regional verantwortlichen Landeskriminalämter (LKA). Übersteigt die Tat jedoch deren Kompetenzen oder sind mehrere Bundesländer betroffen, übernimmt das Bundeskriminalamt (BKA) die Ermittlungen. Das BKA wird ebenfalls immer dann hinzugezogen, wenn Taten, die den Staatsschutz betreffen, keinem bestimmten Bundesland zugeordnet werden können, wenn beispielsweise für ganz Deutschland eine Warnung wegen Cyberterrorismus ausgesprochen wurde.

Unterschied zwischen LKA und BKA

Ein LKA existiert in jedem der 16 Bundesländer und untersteht dem Geschäftsbereich des jeweiligen Landesministeriums des Innern. Als oberste Polizeibehörde unterstützt es die Kriminalpolizei in ihrer Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit und schlägt für die entsprechende Polizeidienststelle die Brücke zum BKA.

Letzteres arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Es kann bei besonders schwerwiegenden Verstößen, also beispielsweise solchen, die den Staatsschutz tangieren, als Strafverfolgungsbehörde tätig werden. Zudem stellt das BKA eine nationale und internationale Informationszentrale für die Polizeien des Landes dar.

Eine wichtige Methode zur Datengewinnung und Kriminalitätsprävention kann dabei der gesetzlich legitimierten Vorratsdatenspeicherung gemäß § 113 b Telekommunikationsgesetz zukommen. Hierbei können unter Umständen kriminelle Machenschaften frühzeitig erkannr und bekämpft werden.

Politisch motivierte Kriminalität – Aufgaben vom Staatsschutz

Mehrfach fiel bereits die Bezeichnung der politisch motivierten Kriminalität, kurz PMK. Dabei handelt es sich um Delikte, die sich in irgendeiner Weise in einen politischen Kontext einfügen. Das „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ wurde offiziell am 1. Januar 2001 auf der ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren von Bund und Ländern eingeführt.

Der Staatsschutz ermittelt in Fällen politisch motivierter Kriminalität.
Der Staatsschutz ermittelt in Fällen politisch motivierter Kriminalität.

Damit wurde ein bundesweit einheitliches Kategoriengefüge geschaffen, welches bei der Beschreibung von Delikten, die den Staatsschutz betreffen, Anwendung findet. Im Zuge dieser definitorischen Klarstellung erfolgte eine Loslösung vom vormals vorherrschenden Extremismusbegriff.

Nach der nunmehr geltenden Bezeichnung beinhaltet PMK nicht nur echte, sondern auch unechte Staatsschutzdelikte. Bei ersteren handelt es sich um Straftaten, die eindeutig destruktiven staatlichen Motiven unterliegen. Unechte Staatsschutzdelikte können sich in nahezu sämtlichen Straftatbeständen wiederfinden, sofern diese überindividuelle Motive erkennen lassen. Dies ist beispielsweise bei einer Nötigung gegeben, die aufgrund einer ausländerfeindlichen Gesinnung erfolgt.

Sehen Sie hier eine Übersicht über typische Staatsschutzdelikte:

  • §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB
  • Propagandadelikte (z.B.: §§ 86, 86a StGB)
  • Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB)
  • Hochverrat (§§ 81, 82 StGB)

Wesensmerkmale der PMK

Neben den eindeutig als PMK klassifizierbaren Handlungen, müssen Taten der allgemeinen Strafbarkeit gewisse Voraussetzungen erfüllen, um unter die Verantwortlichkeit vom Staatsschutz zu fallen.

Akte, die mittel- oder unmittelbar Einfluss auf den demokratisch gesicherten Willensbildungsprozess nehmen, stellen einen derartigen Einschnitt in das Staatsgefüge dar, dass hier der Staatsschutz zum Tragen kommt. So verhält es sich bei dem Vorsatz, eigene, der Bundesrepublik zuwiderlaufende staatliche Ziele umzusetzen oder geltende Maßnahmen zu unterbringen. Auch Störungsakte bei der Umsetzung einer freiheitlich demokratisch getroffenen Entscheidung der Politik stellen staatsschutzrelevante Handlungsweisen dar.

Der Staatsschutz wird bei Allgemeinkriminalität eingeschaltet, wenn diese dazu dient, die staatliche Grundordnung Deutschlands zu beschädigen oder deren Fundamente zu gefährden. Wird nach der Sicherheit von Bund und Ländern getrachtet, findet ebenfalls eine Klassifizierung als PMK statt. Ähnlich verhält es sich in Fällen, in denen eine widerrechtliche Beeinträchtigung der Amtsausübung von verfassungsrechtlichen Mitgliedern des Bundes oder der Länder erfolgt sowie bei Gewaltanwendungen, die auswärtige Angelegenheiten Deutschlands beeinflussen.

Anwendungsbereich vom Staatsschutz: Dazu gehören unter anderem rechts- und linksextreme Taten.
Anwendungsbereich vom Staatsschutz: Dazu gehören unter anderem rechts- und linksextreme Taten.

Um PMK handelt es sich ferner bei Taten, die Personen oder Institutionen angreifen wegen:

  • politischer Einstellung
  • Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Herkunft, äußerem Erscheinungsbild
  • Religion, Weltanschauung
  • Behinderung
  • sexueller Orientierung, gesellschaftlichem Status (z. B. in Form von Hasskommentaren auf Social-Media-Plattformen)

Das Anwendungsgebiet der PMK kann demnach extrem breit gefächert sein, je nachdem, welche Motivationselemente in den vereinzelten Delikten zum Ausdruck kommen. Grundsätzlich lassen sich vier Untergruppen der PMK untergliedern: Linksextremismus, Rechtsextremismus, Ausländerkriminalität, sonstige staatlich ausgerichtete Straftaten mit extremistischen Grundzügen. Es werden beispielsweise Delikte erfasst, die sich gegen den deutschen Staat selbst richten und Terrorismusbekämpfung nach sich ziehen. Brandstiftungen von Flüchtlingsunterkünften sind zudem ein typisches Beispiel rechtsradikaler oder ausländerfeindlicher Handlungsweisen.

PMK ist geprägt durch die dabei verursachte Gefährdung der freiheitlich demokratischen Ordnung. Aus innenpolitischer Perspektive ist daher ein effektives System aus Erfassung und Analyse erforderlich, um die Wurzel des Übels frühzeitig am Schopf zu packen und so wirksam gegen die Täter vorgehen zu können.

Während die sogenannte Allgemeinkriminalität eher einem begrenzten Wirkspektrum unterliegt, dringt PMK bis in die demokratischen Grundlagen vor und drohen, diese zu erschüttern bzw. zu stürzen. Es findet eine Missachtung der gesetzlich manifestierten Menschenrechte statt, die nicht nur das Individuum selbst, sondern das gesamte Gemeinwesen betrifft. Daher ist es Sache vom Staatsschutz, dagegen aktiv vorzugehen.

Die Täter folgen zumeist einer über ihnen stehenden Ideologie oder handeln in dem Bewusstsein einer übersteigerten Dominanz gegenüber andersartigen oder –denkenden Menschen. Ein Unrechtsbewusstsein ist bei diesem Täterkreis selten vorzufinden. So kann sich zum Beispiel eine anfänglich als Amoklauf klassifizierte Tat bei näherer Betrachtung als terroristischer Akt erweisen, wenn tatsächlich keine persönlichen, sondern überindividuelle Motive erkennbar werden.

Statistische Erfassung der PMK

Die Fallzahlen der PMK werden von den Polizeibehörden der Länder dokumentiert. Die Landeskriminalämter leiten die Erhebungen dann dem BKA zur bundesweiten Auswertung weiter. Über eine Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern werden die jährlichen Gesamtergebnisse dann vorgestellt.

Delikte, die den Staatsschutz betreffen, werden nicht von der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. Der BKA entwirft hierfür jährlich eine Sonderstatistik (PKS-S: Polizeiliche Kriminalstatistik – Staatsschutzdelikte), die jedoch nicht öffentlich zugänglich gemacht wird.
Statistisch werden Delikte, die den Staatsschutz betreffen, vom Bundeskriminalamt erfasst.
Statistisch werden Delikte, die den Staatsschutz betreffen, vom Bundeskriminalamt erfasst.

Einen Eindruck von den Ausmaßen der PMK vermittelt der sogenannte „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dies ist eine sogenannte Eingangsstatistik, welche sich auf den Ermittlungsbeginn und nicht auf das Ende (wie die PKS) bezieht. Das heißt, hier erfolgt die Meldung bereits, bevor sicher festgestellt wurde, welcher Kriminalitätskategorie der Täter überhaupt zuzuordnen ist. Verständlicherweise sind verzerrte Ergebnisse die Folge. Ein genaues Bild liefert ausschließlich die PKS-S vom BKA.

Laut KPMD-PMK für das Jahr 2015 machen rechtsextreme Taten die Mehrheit der gesamtheitlich begangenen staatlich relevanten Delikte aus (knapp 23.000). Mit großem Abstand folgen linksextreme Taten (rund 10.000), während sonstige PMK (ca. 4.000) und Ausländerkriminalität (rund 2.000) auf Platz drei und vier liegen.

Im Vergleich zu 2014 ist ein Anstieg zu verzeichnen, der bei rechtsmotivierter PMK erschreckende 35 % und bei den linksextremen Taten 18 % ausmacht. Damit wurden 2015 die höchsten Fallzahlen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2001 erreicht. Auch das Gesamtergebnis markiert einen Zuwachs (19 %). Staatsschutz scheint also mehr denn je ein Thema von höchster Wichtigkeit zu sein, wenngleich er auch schon vor Dokumentationsbeginn durch die KPMD-PMK Deutschlands Geschichte prägte.

Historie politisch motivierter Taten in Deutschland

Der Staatsschutz ist nicht erst seit der Bedrohung durch den islamistischen Terror und der damit in Verbindung stehenden Etablierung des Luftsicherheitsgesetzes im Jahr 2005 eine Angelegenheit von höchster Brisanz. Denn in der deutschen Vergangenheit sah sich der Staatsschutz immer wieder verschiedenartigen Bedrohungen gegenüber.

Linksextremistische Strömungen
  • Rote Armee Fraktion (RAF)

Bereits in den 70er Jahren zeigten sich in Deutschland staatsfeindliche Tendenzen in Form der sogenannten „Roten Armee Fraktion“. Ausgangspunkt der Taten dieser linksextremistischen terroristischen Vereinigung war eine kommunistisch, antiimperialistische Studentenbewegung, in der sich mehr und mehr militante Kräfte sammelten. Leitfiguren waren Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die Gewalt als probates Mittel ansahen, um gegen das vorherrschende System zu protestieren.

Gemeinsam mit zwei weiteren Verbündeten legten sie im April 1968 Brände in Frankfurter Kaufhäusern, woraufhin Baader gefasst wurde. 1970 konnte er mit Hilfe der Journalistin Ulrike Meinhof fliehen. Meinhof wurde dadurch zu einem wichtigen Mitglied der Gruppe, die sich 1971 offiziell als Rote Armee Fraktion bezeichnete.

Staatsschutz, zum Beispiel tätig bei Links- und Rechtsextremismus, prägt die deutsche Geschichte.
Staatsschutz, zum Beispiel tätig bei Links- und Rechtsextremismus, prägt die deutsche Geschichte.

Es folgte eine Welle der Gewalt, die 34 Menschenleben aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Polizeiwesen forderte – alles Taten, die den Staatsschutz betreffen. Mit Geiselnahmen, Sprengstoffattentaten und der Entführung des Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ging die Vereinigung gegen den Staat vor, bis sie sich 1998 schließlich selbst auflöste.

  • Revolutionäre Zellen und Rote Zora (RZ)

Wie schon die Gründer der RAF waren auch die Mitglieder der sich Anfang der 70er formierenden Revolutionären Zellen in der linken Szene angesiedelt. Wenngleich die RAF als Vorbild diente, wurde hier jedoch eine hohe Solidarisierung angestrebt, indem von einer Verletzung Unbeteiligter abgesehen werden sollte.

1973 fanden erste Sprengstoffanschläge statt, die sich in den Folgejahren wiederholten. Ziel waren zumeist staatliche, militärische oder industrielle Einrichtungen Deutschlands. Vorherrschend waren zwei wesentliche Tendenzen: eine antiimperialistische und eine sozialrevolutionäre. Aufgrund dieser Zweiteilung gab es gruppenintern vermehrt Spannungen, was sicherlich mitursächlich für die dezentralisierte Organisationsstruktur war: Anstatt in einer Gesamteinheit aufzutreten, splitteten sich die Mitglieder in mehrere sogenannte Zellen auf, die sowohl national als auch international tätig wurden.

Als „Rote Zora“ wurde eine der RZ gehörige Frauengruppe bezeichnet, die sich 1987 vollständig von ihrer Muttervereinigung loslöste und eigenständig agierte. Der Fokus lag hier auf Angriffen gegen die Bio- und Gentechnologie.

1992 begannen sich die ersten Zellen aufzulösen. Einige Mitglieder zogen sich komplett aus dem terroristischen Handlungsfeld zurück, andere hielten an der gewaltsamen Praxis fest.

  • Bewegung 2. Juni

Der 2. Juni 1967, der Tag, an dem der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration von einem Polizisten erschossen wurde, war namensgebend für eine in Berlin ansässige terroristische Gruppierung, die sich 1972 als „Bewegung 2. Juni“ gründete. Nachdem die Führungsfigur, Georg von Rauch, 1971 in einer Auseinandersetzung mit der Polizei ums Leben kam, fiel der Startschuss für wiederholte Gewalttaten.

Das 2005 geschaffene Luftsicherheitsgesetz trägt zum Staatsschutz bei.
Das 2005 geschaffene Luftsicherheitsgesetz trägt zum Staatsschutz bei.

Es kam zu Bombenanschlägen sowie diversen Entführungen von wichtigen Mitgliedern des Staates und der Wirtschaft. Außerdem gelang es der Formation durch die Entführung eines CDU-Politikers die Freilassung einiger Mitglieder zu erpressen.

1980 löste sich die Gruppe jedoch auf, wobei sich einige der Mitglieder der RAF anschlossen, während andere zu den revolutionären Zellen überwechselten.

Rechtsextremistische Anschläge
  • Pogrom in Hoyerswerda

Zwischen dem 17. und dem 23. September 1991 kam es in dem sächsischen Hoyerswerda zu mehreren rechtsextremistischen Delikten im Sinne vom Staatsschutz auf ein Wohnheim für Vertragsarbeiter sowie auf ein Flüchtlingsheim.

Die Polizei war angesichts der Masse an gewaltbereiten Tätern – stellenweise sollen um die 500 Personen beteiligt gewesen sein – schier machtlos und vollkommen überfordert, sodass sie den Ausschreitungen kaum Einhalt gebieten konnte.

Ausgangspunkt waren Attacken einer Gruppe rechtsgesinnter Jugendlicher auf vietnamesische Händler, die sich in ihr Wohnheim flüchteten. Immer mehr gewalttätige Personen fanden sich vor dem Gebäude ein, um die Bewohner mit Parolen und Steinwürfen einzuschüchtern. Später wurde das Haus gar mit Molotow-Cocktails beworfen – all das unter Ignoranz oder Beifall anderer Anwohner. Schließlich wurde auch ein in Hoyerswerda befindliches Flüchtlingsheim mit Steinen und Brandbomben attackiert. Letztlich schreckten die anwesenden Neonazis sogar vor direkten Körperverletzungen gegen einigFbe Ausländer nicht mehr zurück.

  • Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen

Am 22. und 26. August 1992 wurden eine Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter (beide untergebracht im sogenannten Sonnenblumenhaus) in Rostock Zielscheibe rechtsradikaler Angriffe. In dreistelliger Zahl fanden sich Beteiligte an den Anschlägen, die von tausenden Zuschauern bejubelt wurden.

Wieder konnte die Polizei der Situation nicht Herr werden und konnte nicht verhindern, dass das Wohnheim durch Molotow-Cocktails in Brand gesetzt wurde. Die Angreifer wendeten sich schließlich gar gegen die Beamten und lieferten sich eine regelrechte Straßenschlacht mit der Polizei.

  • Brandanschlag in Solingen

Am 29. Mai 1993 kam es in der nordrhein-westfälische Stadt Solingen zu einem Brandanschlag mit rechtsextremistischer Motivation. Ein Zweifamilienhaus mit türkischen Bewohnern wurde in Brand gesetzt und forderte fünf Todesopfer. Täter waren Zugehörige der rechten Szene, die zuvor eine Festgesellschaft störten und daher von dem Wirt und zwei Anwesenden türkischer Abstammung des Vereinsheims verwiesen wurden. Aus Rache planten sie gemeinsam mit einem weiteren später hingestoßenen Täter den Anschlag.

  • Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
In Deutschland kommt dem BKA eine tragende Rolle beim Staatsschutz zu.
In Deutschland kommt dem BKA eine tragende Rolle beim Staatsschutz zu.

Im November 2011 wurde die rechtsradikale terroristische Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ bekannt. Bisher konnten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe dieser Organisation zugeordnet werden.

Die Terrorzelle soll verantwortlich für mehrere Morde an Personen mit Migrationshintergrund sowie Sprengstoffattentate sein. Für besonderes Aufsehen sorgte dieser Fall durch die damit in Verbindung stehenden Ermittlungspannen auf Seiten vom Staatsschutz. Hier soll es vermehrt zu Versäumnissen gekommen sein, die der Ermittlung und somit auch der Gewaltprävention hinderlich waren.

Böhnhardt wurde 2011 vermutlich von Mundlos erschossen wurde, bevor letzterer sich das Leben nahm. Daher wurde beim Oberlandesgericht München 2013 Prozess gegen die letzte verbliebene Hauptverdächtige, Beate Zschäpe, eröffnet. Ein Urteil ist auch nach über drei Jahren nicht in Sicht. Zschäpe sieht sich seither einer ganzen Kette an Vorwürfen gegenüber: zehn Morde, zwei Sprengstoffattentate, 15 Raubüberfälle, eine besonders schwere Brandstiftung sowie die Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Die Rolle vom BKA bei Angelegenheiten zum Staatsschutz

Im Mittelpunkt vom polizeilichen Staatsschutz steht das BKA, welches sich in einer gesonderten Abteilung mit folgenden Deliktsbereichen befasst:

  • linksextremistische Taten
  • rechtsextremistische Taten
  • Ausländerkriminalität
  • islamistisch begründeter Terrorismus
  • Spionage (inklusive Cyberkriminalität)
  • Verstöße gemäß Völkerstrafgesetzbuch

Das BKA dient als für den Staatsschutz tätiges Organ einerseits der Gefahrenabwehr, beispielsweise bei Fällen des nationalen oder internationalen Terrorismus. Andererseits wird es in solchen Situationen auch strafverfolgend aktiv. Eine weitere wichtige Aufgabe liegt in der Erstellung von Lageplänen, welche die aktuelle Gefahrenlage widerspiegeln.

Für die Erfüllung seiner Zentralstellenfunktion sammelt und analysiert das BKA Daten, von Meldediensten, Ermittlungsverfahren und etwaigen Partnerbehörden. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Gefährdungsbewertung, die deliktisch, regional oder strukturell Schwerpunkte setzt.
Das BKA, welches den polizeilichen Staatsschutz gewährleistet, unterliegt dem BKA-Gesetz.
Das BKA, welches den polizeilichen Staatsschutz gewährleistet, unterliegt dem BKA-Gesetz.

Auf nationalem Gebiet stellt das BKA eine Kooperation der verschiedenen Polizeibehörden und Nachrichtendienste sicher, ohne dabei das zwischen beiden Institutionsbereichen herrschende Trennungsgebot zu verletzen.

Auch international stellt das Bundeskriminalamt eine basale Informationsschnittstelle dar. So kooperiert es mit internationalen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, wie Euro- oder Interpol, und koordiniert die Abläufe.

Die Gesetzliche Grundlage des BKAs bildet das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG), welches die Verantwortungsbereiche und Befugnisse streng regelt. Darin ist auch festgeschrieben, dass die Zentralisierung der relevanten Informations- und Kommunikationsprozesse der deutschen Polizei eines der Hauptanliegen darstellt, für welches das BKA zuständig ist.

Dafür verfügt es unter anderem über einen zentralen Fahndungscomputer sowie über erkennungsdienstliche und kriminaltechnische Einrichtungen und Sammlungen. So können zum Beispiel von den Polizeibehörden Fingerabdrücke oder Lichtbilder von Verdächtigen auf elektronischem Wege an das BKA zur Überprüfung übermittelt werden.

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Über den Autor

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Jennifer A.

Jennifer studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth. Seit 2018 ist sie fester Bestandteil des Redaktionsteams von anwalt.org. Sie nutzt ihr breites Wissen über das deutsche Rechtssystem seither für die Erstellung gut verständlicher Texte in Bereichen wie dem Asylrecht, Steuerrecht und Verbraucherrecht.

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