Das Strafrecht normiert im Strafgesetzbuch (kurz: StGB) Straftatbestände der unterschiedlichsten Art. Dabei sind einige Delikte als vorsätzliche Straftaten ausgestaltet, andere wiederum als Fahrlässigkeitstaten. Vorsatz und Fahrlässigkeit umschreiben jeweils die innere Einstellung eines Täters in Bezug auf das von ihm verwirklichte Delikt.
Doch was genau ist in der Rechtswissenschaft eigentlich unter dem Begriff Fahrlässigkeit zu verstehen und worauf kommt es an? „Fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr“ oder „fahrlässige Tötung bei einem Verkehrsunfall“ sind immerhin Begriffe, die uns in den Nachrichten oder in der Zeitung immer wieder begegnen. Was heißt also fahrlässig?
Welche verschiedenen Fahrlässigkeitsformen gibt es außerdem und worin unterscheiden sie sich? Wann ist Fahrlässigkeit nach deutschem Strafrecht überhaupt mit Strafe bedroht? Und was meint der Begriff „Fahrlässigkeit“ demgegenüber im Zivilrecht?
Mit diesen und einigen weiteren Fragen befasst sich der folgende Ratgeber.
Inhalt
FAQ: Fahrlässigkeit
Hier können Sie nachlesen, wie der Begriff der Fahrlässigkeit in Deutschland definiert wird.
Eine Übersicht der einzelnen Formen der Fahrlässigkeit gemäß Strafrecht, finden Sie hier.
Geschieht eine Tat aus Fahrlässigkeit und nicht aus Vorsatz, ist von einem geringeren Strafmaß auszugehen.
Fahrlässigkeit: Definition des Begriffs
Vorab soll die Definition von Fahrlässigkeit gegeben werden. Eine solche ist dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen. Der allgemein herrschenden Meinung sowie der geltenden Rechtsprechung zufolge definiert sich der Begriff der Fahrlässigkeit jedoch als das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Erforderlich und zu prüfen sind also zunächst folgende zwei Aspekte: Lag erstens eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung vor und war diese zweitens für den Täter erkennbar?
Wer fahrlässig handelt, will nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Die Vorwerfbarkeit liegt hier vielmehr darin begründet, dass er bei gehöriger Anspannung seines Bewusstseins hätte erkennen können, dass sein Handeln die Gefahr bzw. Verletzung eines geschützten Rechtsgutes birgt.
Im Rahmen der Prüfung der Schuld eines Täters ist sodann auch die subjektive Komponente der Fahrlässigkeit zu prüfen und damit die Frage, ob der eingetretene Taterfolg auch gerade für den jeweiligen Täter voraussehbar war.
Ist Fahrlässigkeit strafbar?
Gemäß § 15 StGB ist grundsätzlich nur ein vorsätzliches Handeln mit Strafe bedroht. Fahrlässigkeit hingegen ist nur dann strafbar, wenn es das Gesetz ausdrücklich festlegt. So ist beispielsweise eine fahrlässige Sachbeschädigung nicht strafbar nach deutschem Recht.
Beispiele für fahrlässige Straftaten
In der folgenden Auflistung sind einige Beispiele für Fahrlässigkeitstaten benannt, die nach dem StGB mit Strafe bedroht sind. Die Auflistung ist nicht abschließend.
- Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)
- Fahrlässige (einfache) Körperverletzung (§ 229 StGB)
- Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Absatz 2 StGB)
- Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Absatz 3 StGB)
- Vollrausch (§ 323a StGB)
- Baugefährdung (§ 319 Absatz 3 und 4 StGB)
- Fahrlässige Brandstiftung (§ 306d StGB)
- Herbeiführung einer Brandgefahr (§ 306f StGB)
- Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Absatz 5 und 6 StGB)
- Fahrlässiger Falscheid, fahrlässige falsche Versicherung an Eides statt (§ 161 StGB)
Das Strafmaß
Wie hoch das jeweilige Strafmaß für eine Fahrlässigkeitstat ist, hängt vom jeweiligen Straftatbestand ab, den der Täter verletzt. Das Strafmaß für eine fahrlässige Tötung liegt beispielsweise bei einer bis zu fünfjährigen Freiheitsstrafe oder aber einer Geldstrafe.
Wer wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht steht, hat mithin weitaus weniger zu befürchten als ein Täter, dem der Verdacht einer vorsätzlichen Tötung (Totschlag oder Mord) zur Last gelegt wird. Totschlag wird bereits im Mindestmaß mit fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Eine Geldstrafe sieht das Gesetz hierbei überhaupt nicht vor. Mord wird demgegenüber mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet.
Fahrlässigkeitstaten haben gegenüber Vorsatztaten stets ein niedrigeres Strafmaß.
Welche Besonderheiten gibt es im Rahmen der Fahrlässigkeit?
Fahrlässigkeitstaten weisen gegenüber vorsätzlichen Delikten einige Besonderheiten auf.
Ferner gibt es bei Fahrlässigkeitstaten auch keine Teilnahme. Eine Anstiftung oder eine Beihilfe zu einer Fahrlässigkeitstat kennt das Strafrecht also nicht. Voraussetzung für die Teilnahme an Straftaten ist nämlich stets das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat. Ebensowenig kann jemand fahrlässig an einer anderen (vorsätzlichen) Tat teilnehmen. Eine fahrlässige Anstiftung oder eine fahrlässige Beihilfe gibt es mithin nicht.
Eine fahrlässige Mittäterschaft ist ebenfalls nicht möglich, da eine solche stets ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer Täter erfordert.
Möglich ist aber demgegenüber eine Strafbarkeit wegen fahrlässigen Unterlassens. Eine fahrlässige Köperverletzung oder Tötung durch Unterlassen sind demnach denkbar und zudem mit Strafe bedroht.
Arten der Fahrlässigkeit im Strafrecht
Im Strafrecht werden zwei verschiedene Arten der Fahrlässigkeit voneinander unterschieden: Die bewusste Fahrlässigkeit und die unbewusste Fahrlässigkeit.
Bei der bewussten Fahrlässigkeit hält es der Täter zwar für möglich, dass er durch sein Handeln (oder Unterlassen) einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, er vertraut jedoch pflichtwidrig und in vorwerfbarer Weise darauf, dass dass das Ergebnis nicht eintritt.
Im Rahmen der unbewussten Fahrlässigkeit hingegen lässt der Täter diejenige Sorgfalt außer Acht, zu der er nach den objektiven Umständen und seinen persönlichen bzw. subjektiven Verhältnissen verpflichtet und fähig war und verwirklicht infolgedessen den Tatbestand, ohne dies zu erkennen.
Grade der Fahrlässigkeit im Strafrecht
Ferner wird differenziert nach dem Grad der Fahrlässigkeit. Dabei wird die einfache Fahrlässigkeit von der Leichtfertigkeit unterschieden.
Die einfache Fahrlässigkeit entspricht der oben genannten Definition der Verletzung einer objektiven Sorgfaltspflicht und deren Erkennbarkeit. Leichtfertigkeit hingegen bedeutet die Verletzung der gebotenen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße. In bestimmten Straftatbeständen ist die Leichtfertigkeit eines der Tatbestandsmerkmale. Dies ist beispielsweise in § 306c StGB (= fahrlässige Brandstiftung mit Todesfolge) der Fall.
Fahrlässigkeit im BGB
Auch im Zivilrecht findet der Begriff der Fahrlässigkeit Anwendung. Im Gegensatz zum Strafrecht ist er hier gesetzlich definiert. Gemäß § 276 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (kurz: BGB) handelt demnach fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (= einfache Fahrlässigkeit).
Demgegenüber ist im Zivilrecht noch der Begriff „grobe Fahrlässigkeit“ von Relevanz. Im BGB ist, im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit, für die grobe Fahrlässigkeit keine Definition normiert. Nach der herrschenden Rechtsprechung handelt eine Person grob fahrlässig, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt oder naheliegende Überlegungen nicht anstellte.
Grobe Fahrlässigkeit: Beispiele
Besonders im Straßenverkehr finden sich einige Beispiele für grobe Fahrlässigkeit. Wer im Kfz während der Fahrt eine andere Tätigkeit ausführt (wie etwa das Bedienen eines Telefones oder das Aufheben eines Gegenstandes vom Fahrzeugboden), sodass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Straßenverkehr gerichtet ist, der handelt grob fahrlässig.
Auch das dauerhafte Aufbewahren der Fahrzeugpapiere wird gemeinhin als grob fahrlässig qualifiziert. Zudem ist das Führen eines Fahrzeuges trotz absoluter Fahruntüchtigkeit ist im Sinne der Definition als grob fahrlässig zu werten.
Fahrlässigkeit im Arbeitsrecht
Auch im Arbeitsrecht ist Fahrlässigkeit ein gängiger Begriff. Hierbei geht es um Fragen der Haftung des Arbeitnehmers. Es werden
- leichte Fahrlässigkeit,
- mittlere Fahrlässigkeit und
- grobe Fahrlässigkeit
voneinander abgegrenzt.
Die „leichte“ Fahrlässigkeit ist für den Arbeitnehmer die mildeste Stufe für ein unerhebliches, nachlässiges Verschulden. Hierbei wird eine Haftung des Arbeitnehmers in der Regel ausgeschlossen.
Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird eine vollständige Haftungsfreistellung abgelehnt. Die Aufteilung der Haftung richtet sich nach Billigkeits– und Zumutbarkeitsgesichtspunkten und ist vom Einzelfall abhängig.
Bei der groben Fahrlässigkeit lässt der Arbeitnehmer die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht. Hierbei haftet er in der Regel vollumfänglich.