Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte am Dienstag, dass zwei sterbewilligen Klägern der Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zu Hause versagt bleibt (Aktenzeichen: 3 C 8.22 und 3 C 9.22). Es gebe andere Wege für Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Das Recht auf einen selbstbestimmten Tod werde daher nicht verletzt. Die Gefahren eines Missbrauchs seien zu hoch.
Schwerkranke wollen Betäubungsmittel erwerben
Bei den Klägern handelt es sich um zwei schwer kranke Männer aus Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Einer ist aufgrund einer Multiplen Sklerose vom Schultergürtel abwärts gelähmt, der andere hat ein schweres Krebsleiden. Sie hatten bereits 2017 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Dieses wollen sie für den häuslichen Suizid im Kreise der Familie verwenden.
Nach mehreren Ablehnungen und Klagen erreichte der Sachverhalt schließlich das Bundesverwaltungsgericht. Zum Suizid-Medikament urteilte es nun, dass die beantragte Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zu versagen ist. Der Zweck dieses Gesetzes sei die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung im Sinne einer Heilung oder Linderung von Krankheiten. Diesem stehe der Erwerb eines Medikaments zur Beendigung des eigenen Lebens entgegen.
Beim gefällten Urteil durch das Bundesverfassungsgericht steht das Suizid-Medikament Natrium-Pentobarbital im Fokus. Es handelt sich um ein starkes Betäubungsmittel, das mit einem Glas Wasser eingenommen wird. Nur wenige Gramm entfalten bereits eine tödliche Wirkung durch Bewusstlosigkeit und Atemstillstand.
Bundesverwaltungsgericht: Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt
Das Bundesverfassungsgericht kippte am 26. Februar 2020 (2 BvR 2347/15 u. a.) das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung und formulierte ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht bezieht sich nur auf die passive Sterbehilfe, der Betroffene muss das Medikament selbst einnehmen.
Weiterhin verboten ist die aktive Sterbehilfe, bei der das tödliche Mittel durch einen Helfer verabreicht wird. Ein gesetzlicher Rahmen mit genauen Bedingungen zur Sterbehilfe fehlt dennoch bis heute. Es handelt sich bei assistierten Suiziden um eine rechtliche Grauzone.
Neben dem Urteil von 2020 gewährleistet auch der Artikel 1 Absatz 1 im Grundgesetz das Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden. Die Einschränkungen im Betäubungsmittelgesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) stellen damit einen Eingriff in dieses Recht dar.
Doch dieser Grundrechtseingriff ist für das Bundesverwaltungsgericht gerechtfertigt. Das Suizid-Medikament nicht erwerben zu können ist ein legitimes Verbot, das das Ziel verfolgt, Missbrauch zu verhindern. Zudem verwies das Gericht auf den Umstand, dass sterbewilligen Menschen andere zumutbare Möglichkeiten zur Verfügung stünden, ihr Leben zu beenden. Sie können über einen Arzt andere Arzneimittel erhalten, die ebenfalls tödlich wirken.
Die Kläger forderten vor dem Bundesverwaltungsgericht das Suizid-Medikament Natrium-Pentobarbital, da dessen Einnahme mit weniger großen Belastungen verbunden ist. Andere Medikamente erfordern eine höhere Dosierung, was bei Personen mit Schluckbeschwerden zu Komplikationen führen kann. Eine intravenös verabreichte Arznei erfordert eine medizinische Begleitung, die von den Klägern nicht gewünscht ist.
Dem stehen jedoch Gemeinwohlbelange gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Suizid-Medikament eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung. Daher sei nicht zu beanstanden, dass das Betäubungsmittelgesetz einen Erwerb zum Zwecke der Selbsttötung nicht zulasse.
Die Kläger werden sich voraussichtlich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden.
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