Während die Würde im 20. Jahrhundert als bedeutungsvollster Verfassungswert Rechtsstaaten kennzeichnet, war sie zur Zeit der Antike noch ein Qualitätssiegel moralisch herausragender Leistungen. In der aristotelischen Tradition galt sie als erwerbbare Auszeichnung, die gesellschaftliche Positionen markierte und separierte.
Doch der römische Philosoph Cicero erkannte darin auch ein angeborenes, alle Menschen vereinendes Merkmal, und dieser Wesenszug sollte sich mehr und mehr durchsetzen.
Im Gang der Jahrhunderte verlor die Würde niemals an Bedeutung und manifestierte sich als unumgängliche Funktionseinheit einer jeder humanen Gesellschaft – so auch in Deutschland.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es in Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes (GG). Sie ist als ein über allen Gesetzen stehendes Universalprinzip ausgestaltet und unterliegt hierzulande als eines der Grundrechte im Staatsrecht dem höchsten Schutz.
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Doch wofür steht das Staatsrecht in Deutschland eigentlich? Im folgenden Ratgeber erhalten Sie darauf eine Antwort und Sie erfahren außerdem, wie das Staatsrecht die Grundrechte bestimmt und wie Staats- und Verfassungsrecht miteinander in Beziehung stehen.
Inhalt
FAQ: Staatsrecht
Hier können Sie ausführlich nachlesen, welchen Zweck das Staatsrecht erfüllen soll.
Im Staatsrecht werden grundlegende Verfassungsprinzipien festgelegt. Welche das in Deutschland sind, können Sie hier nachlesen.
Das Bundesverfassungsgericht ist das oberste Gericht in Deutschland, welches sich mit Verfassungsfragen beschäftigt.
Definition: Was ist Staatsrecht?
In nur einer Silbe, bestehend aus fünf Buchstaben beinhaltet das Wort „Staat“ eine enorme Schlagkraft. Denn was sprachwissenschaftlich gesehen klein und unscheinbar daherkommt, ist hinsichtlich seiner Bedeutung groß und massiv.
„Staat“ leitet sich von der lateinischen Bezeichnung „status“ ab und kann übersetzt werden als Zustand. Heutzutage findet der Begriff Verwendung für eine politische Einheit von Menschen, dem sogenannten Staatsvolk, die auf dem Staatsgebiet unter der Herrschaft der Staatsgewalt leben.
Das Staatsrecht verbindet diese drei Kernelemente miteinander, denn es enthält einerseits Vorschriften zu Aufbau, Organisation, Befugnissen des Staates und legt andererseits das Miteinander von Staat und Bürgern fest.
Der Staat und seine Bewohner
Für die Entstehung von Staaten finden sich unterschiedliche Erklärungsansätze. So wird unter anderem angenommen, dass sich derartige politische Gebilde aus bestimmten Gruppen, zum Beispiel Familien, Sippen oder Stämmen, herausbilden.
Eine weitere These sieht in der Macht und dem Recht des Stärkeren ein wesentliches Charakteristikum. Außerdem können Staaten Ergebnis einer Kooperation bereits existierender anderer Einheiten sein, die sich darin beispielsweise zusammenschließen.
Kein Staat kann ohne ein sogenanntes Staatsvolk bestehen. Dieses bezeichnet wiederum Menschen mit übereinstimmender Staatsangehörigkeit. Letztere kann entweder durch einen Akt der Verwaltung, zum Beispiel in Form der Einbürgerung, verliehen werden oder ist der betreffenden Person per Recht durch die Geburt in die Wiege gelegt.
Findet der Erwerb auf natürlichem Wege statt, können zwei Prinzipien zum Tragen kommen:
- Abstammungsprinzip: Die Staatsangehörigkeit der Eltern bestimmt die der Kinder.
- Territorialprinzip: Das Kind erhält die Staatsangehörigkeit des Staates, auf dessen Boden es zur Welt gebracht wurde.
So können Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft durch Geburt in Deutschland erwerben, wenn ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt bereits seit mindestens acht Jahren dauerhaft in Deutschland lebt und seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt.
Neben dem Staatsangehörigkeitsgesetz regelt auch das Grundgesetz in den Artikeln 16 und 116 die Staatsangehörigkeit. Eine deutsche Staatsangehörigkeit stattet den Inhaber nicht nur mit diversen Bürgerrechten aus, sondern geht auch mit Pflichten, wie der im Steuerrecht geregelten Steuerpflicht, einher.
Ein in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtiger Term ist der der Nation, der privat und öffentlich mitunter (fälschlicherweise) synonym zum Staat gebraucht wird. Eine Nation kennzeichnet sich durch eine Gruppe von Menschen, die hinsichtlich Abstammung, Kultur, Sprache und Ähnlichem übereinstimmende Merkmale aufweisen.
Zählen die Staatsangehörigen überwiegend zur gleichen Nation, handelt es sich um einen Nationalstaat. Koexistieren verschiedene Nationalitäten auf gleichem Staatsboden, so liegt ein Nationalitätenstaat vor.
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Staats- und Regierungsformen
Der Begriff der Staatsgewalt ruft sicherlich aufgrund des zweiten Wortbestandteils bei dem ein oder anderen Assoziationen einer Diktatur hervor. Doch „Gewalt“ meint hier keineswegs eine unterdrückende Herrschaftsform, sondern ist allgemeiner zu fassen.
Als Staatsgewalt wird die souveräne, selbstbestimmte Machtausübung eines Staates bezeichnet. Diese soll dafür Sorge tragen, dass im Inneren die öffentliche Ordnung gewahrt und nach Außen die Unabhängigkeit gegenüber anderen politischen Einheiten behauptet wird.
Abhängig von der Art und Weise dieser Machtausübung existieren verschiedene Staatsformen, die wiederum jeweils unterschiedlichen Unterteilungskategorien zugeordnet werden können:
Trägerformen der Staatsgewalt
- Monokratie: Herrschaft eines Einzelnen
- Aristokratie: Herrschaft einer elitären Gruppe
- Demokratie: Herrschaft des Volkes
Mono- und Aristokratien sind wiederum typische Beispiele einer Diktatur, bei denen das demokratische Staatsrecht zugunsten der Herrschaft einer Person bzw. einer Personengruppe abgeschafft wurde.
Amtsausübung des Staatsoberhauptes
- Republik: Das Staatsoberhaupt wurde für einen begrenzten Zeitraum in sein Amt gewählt.
- Monarchie: Das Staatsoberhaupt erhält sein Amt meist durch Erbfolge auf Lebenszeit.
- absolute Monarchie (Absolutismus): Dem Monarch obliegt die alleinige Staatsgewalt.
- konstitutionelle Monarchie: Die Herrschaft des Monarchen wird durch eine Verfassung eingeschränkt.
- parlamentarische Monarchie: Die Staatsgewalt wird durch das Volk ausgeübt, während der Monarch rein repräsentative Funktionen erfüllt.
innere Gliederung des Staates
- Einheitsstaat: Die Staatsgewalt wird zentral über das gesamte Staatsgebiet hinweg ausgeübt.
- Bundesstaat: Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen, übergeordneten Gebilde.
- Staatenbund/Föderation: Aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen entstandener Zusammenschluss jeweils souveräner Staaten.
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Was ist Verfassungsrecht?
Im Zusammenhang mit dem Staatsrecht ist oftmals auch die Rede vom Verfassungsrecht. Eine Verfassung bezeichnet die schriftlich fixierte Norm einer politischen Ordnung. In Deutschland entspricht dies dem Grundgesetz (GG).
Das Grundgesetz enthält wiederum die entscheidenden Vorschriften zum Staatsorganisationsrecht und den Grundrechten, also den beiden Hauptgebieten des Staatsrechts.
Nicht zu verwechseln ist das Verfassungsrecht mit dem Verwaltungsrecht. Letzteres dient insbesondere der rechtmäßigen Ausführung der Gesetze, die beispielsweise durch das Grundgesetz festgeschrieben sind.
Auszug aus der deutschen Verfassungsgeschichte: Werdegang vom Staatsrecht
Mit seinen 67 Lenzen hat das deutsche Grundgesetz bereits sein Rentenalter erreicht. Doch von Müdigkeits- oder Alterserscheinungen kann keine Rede sein. Denn das Verfassungsrecht ist in Deutschland nach wie vor das wesentliche Fundament für den Staat und sein Funktionieren.
In seiner heutigen Form hat dieser Teil vom Staatsrecht nicht immer existiert. Vielmehr liegt ein langer Weg hinter dem Verfassungsrecht, dessen garantierte Grundrechte heute nicht mehr wegzudenken sind.
Reichsverfassung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, welches bis 1806 Bestand hatte, verfügte über eine sogenannte Reichsverfassung. Diese war Dreh- und Angelpunkt des großen Völkerbündnisses, zu welchem Italien, Deutschland, Österreich, die Niederlande, die Schweiz, Böhmen, Schlesien, Pommern und Burgund zugehörig waren.
An der Spitze des monarchisch geprägten Reiches stand der Kaiser, der von sieben Kurfürsten gewählt wurde.
Im Zuge der Reformation sollte das Reich jedoch zusehends an Bedeutung verlieren, bis es 1806 in dieser Form endgültig zum Erliegen kam.
Von der napoleonischen zu den ersten Länderverfassungen
Direkt im Anschluss an den Fall des Heiligen Römischen Reiches gründete Napoleon den Rheinbund, der auf einem Verfassungsdokument zwischen dem französischen Kaiser und 16 Einzelstaaten beruhte.
Wenngleich alle Mitglieder des Bundes in der Theorie eine gleichberechtigte Stellung innehatten, so war in der Praxis Napoleon übermächtig.
Die napoleonischen Kriege sowie der Sturz des französischen Diktators führten dazu, dass sich zwischen 1818 und 1820 erste Länderverfassungen in Baden, Bayern, Sachsen-Weimar, Hessen-Darmstadt und Württemberg bildeten.
Das damalige Staatsrecht und das Verfassungsrecht waren also noch längst nicht mit dem vergleichbar, was heute für Deutschland typisch ist. Die Grundrechte und die Gleichheit eines jeden vor dem Gesetz waren zu dem Zeitpunkt beispielsweise eher ungenügend definiert.
Erste demokratische Verfassung von 1848
1848 wurden zum ersten Mal demokratische, verfassungsrechtliche Grundlagen geschaffen, indem ein Parlament aus 500 Abgeordneten gebildet wurde. Die Parlamentsmitglieder sollten dafür Sorge tragen, dem Willen des Volkes nachzukommen.
Schließlich wurde ein Grundrechtekatalog verabschiedet, der die Gleichheit aller vor dem Gesetz ebenso enthielt wie Meinungs-, Presse, Religions- und Versammlungsfreiheit.
Doch diese Ausprägung vom Staatsrecht konnte sich nicht gegen die existierenden politischen Ordnungen und insbesondere gegen die Macht der monarchisch regierten Einzelstaaten durchsetzen.
Monarchische Verfassung von 1871
Die 1871 beschlossene Verfassung trug den monarchischen Strukturen Rechnung. Neben dem Kaiser als Staatsoberhaupt ging die Staatsgewalt vom Bundesrat aus, der vom Reichskanzler als Vorsitzendem geleitet wurde.
In diesem Dokument waren gewisse Bürgerrechte, wie der Schutz der Persönlichkeit, enthalten. Außerdem wurden alle Bürger vor dem Gesetz gleich betrachtet.
Weimarer Verfassung: Die zweite demokratische Ordnung
Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann die Republik aus. Das war der Grundstein für ein demokratisch organisiertes Deutschland.
Der Reichstag konnte nun in einem Vier-Jahres-Turnus gewählt werden. Frauen erhielten erstmals deutsches Stimmrecht.
Doch Weltwirtschaftskrise und antidemokratische Tendenzen ließen auch diese Entwicklungsstufe vom Staatsrecht scheitern.
Geburt des Grundgesetzes
Am 23. Mai 1949 wurde dem Staatsrecht der gegründeten Bundesrepublik Deutschland das heutige Gepräge verliehen. An diesem Tag verkündete Konrad Adenauer im Parlament offiziell das deutsche Grundgesetz, welches hinsichtlich Modernität und Liberalität all seine Vorgänger in den Schatten stellte.
Das Grundgesetz ist der wesentliche Anker der Verfassungsgerichtsbarkeit und die Grundlage sämtlicher staatlicher Handhabe.
Das Grundgesetz: Rechte, Freiheiten und Schranken
Die Aufgabe vom Grundgesetz ist es, den Staat mit einem rechtlichen Hilfsmittel auszustatten und die geltenden Grundwerte auszuformulieren. Außerdem dient es der Stabilisation der politischen Ordnung sowie der Freiheitssicherung und Machtbegrenzung. Es geht damit anderen Gebieten, zum Beispiels dem Strafrecht, vor.
Die Verfassung ist Grundlage für sämtliche weitere innerstaatliche Rechte, wie Familien-, Medizin- oder Verkehrsrecht, die dem Grundgesetz nicht widersprechen dürfen. Änderungen sind nur durch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und –rat möglich. Eine Ausnahme bilden hier Artikel 1 und 20 GG, die aufgrund der sogenannten Ewigkeitsklausel änderungsfrei bleiben müssen.
Grob lässt sich das Staatsrecht bzw. das Grundgesetz in zwei Teile untergliedern:
- Artikel 1 – 19: Grundrechtekatalog
- Artikel 20 und folgende: Staatsorganisationsrecht
Vom Staatsrecht garantierte Grundrechte
Bei den Grundrechten handelt es sich um verfassungsrechtlich garantierte Individualrechte, die der Allmacht des Staates gegenüberstehen.
Basis ist Artikel 1 GG, der die Würde des Menschen manifestiert und die Aufgabe erfüllt, den nicht-objekthaften Status des Menschen zu unterstreichen. Dieser Artikel ist indirekt auch Grundlage für die Sanktionierung von Straftaten, beispielsweise einer Körperverletzung, die eben diese Würde beeinträchtigen.
Die weiteren vom Staatsrecht garantierten Grundrechte lassen sich folgendermaßen aufsplitten:
- Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte
- spezielle und allgemeine Grundrechte
- Bürger- und Menschenrechte
All diese Bestimmungen gelten jedoch nicht uneingeschränkt. Es ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs – in diesem Zusammenhang wird auch von einer Schranke gesprochen – vonnöten.
Es existieren verschiedene Formen einer solchen Grenzziehung. So können beispielsweise Grundrechte im Staatsrecht mit einem einfachen Gesetzesvorbehalt versehen sein. Hierbei ergibt sich die Schranke „durch oder auf Grund eines Gesetzes“ oder durch eine Handlung, die eine Ermächtigungsgrundlage besitzt.
Zudem sind einige Grundrechte um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt ergänzt. Die konkrete Begrenzung ist dabei im Wortlaut des Artikels enthalten.
Schließlich können schrankenlos gewährte Grundrechte durch damit in Konflikt geratenes Verfassungs- bzw. Staatsrecht umgrenzt werden. Derartige Kollisionen werden als verfassungsimmanente Schranken bezeichnet.
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Staatsorganisation: Struktur und Aufgabe des deutschen Staates
Artikel 20 GG definiert, dass Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat gestaltet ist. Demnach geht die Staatsgewalt vom Volk aus, welches durch Wahlen und Abstimmungen am Entscheidungsprozess mittelbar beteiligt wird.
Das Staatsrecht legt bei der Staatsorganisation diese fünf grundlegenden Verfassungsprinzipien fest, an denen sich staatliches Handeln stets zu orientieren hat:
- Republik
- Demokratie
- Rechtsstaat
- Bundesstaat
- Sozialstaat
Gemäß Artikel 79 GG dürfen die Inhalte des Artikels 20 ebenso wenig geändert werden, wie der Passus zur Würde des Menschen. Daran zeigt sich die übergeordnete Bedeutung beider Elemente des Grundgesetzes.
Des Weiteren befasst sich das Staatsorganisationsrecht unter anderem mit der Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat, dem Abgeordnetengesetz, dem Wahlrecht sowie dem Parteiengesetz.
Bundesverfassungsgericht: Hüter der Verfassung
Verwalter und Interpret des Grundgesetzes ist das Bundesverfassungsgericht. Gerade aufgrund der offen gehaltenen Formulierungen ist eine Auslegung der darin enthaltenen Vorschriften unumgänglich.
Sämtliche Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich strittiger Fragen zum Staatsrecht trifft, sind verbindlich und können nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden.
Diese höchste aller gerichtlichen Institutionen setzt sich aus zwei Senaten zu jeweils acht Richtern zusammen, die für eine Amtsdauer von zwölf Jahren tätig sind. Gemeinsam entscheiden die in Karlsruhe wirkenden Richter beispielsweise über Verfassungsbeschwerden bei angeblichen Grundrechtsverletzungen durch den Staat.
Auch bei Kollisionen verschiedener Rechtsgebiete wird das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten oder abstrakten Normenkontrolle, also einer Überprüfung der Vereinbarkeit eines Rechts mit dem Staatsrecht, tätig.
Schließlich spricht das Bundesverfassungsgericht bei Organstreits das letzte Wort, wenn oberste Bundesorgane verfassungsrechtliche Streitigkeiten nicht selbstständig niederlegen können.